Zusatzqualifikationen

1. Merkmale der Zusatzqualifikationen

Zusatzqualifikationen stellen ein Instrument zur deutlicheren individuellen Differenzierung und praxisnahen Flexibilisierung der beruflichen Bildung dar und dienen in diesem Sinne der besseren Verzahnung von Aus- und Weiterbildung. Allgemein handelt es sich bei den Zusatzqualifikationen um ausbildungsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen, die vor allem leistungsstarken Auszubildenden ein erweitertes Angebot an beruflicher Förderung bieten sollen. Die Zusatzqualifikationen ergänzen die Ausbildung im dualen System durch die Vermittlung zusätzlicher Inhalte, die in der Ausbildungsordnung des Berufs nicht vorgeschrieben, für das ausbildende Unternehmen oder aus einer Sicht jedoch wichtig sind. Sowohl in ihrer Gestaltung als in ihrem zeitlichen Umfang unterscheiden sich die tatsächlich vermittelten Zusatzqualifikationen deutlich voneinander: Die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) betreute Online-Datenbank „AusbildungPlus“ (www.ausbildungplus.de) enthält zur Zeit etwa 28.000 Angebote, in denen über 100.000 Auszubildende qualifiziert werden – ein Zeichen dafür, dass dieses Instrument tatsächlich zur Flexibilisierung und Individualisierung der Berufsbildung genutzt wird.

                     Haupt-/Realschulabschluss, (Fach-) Abitur: 

                Duale Berufsausbildung                  Zusatzqualifikation

                Ausbildung in Betrieb/                     Zusatzunterricht
                Berufsschule

                Abschlussprüfung                            Zertiifizierung

                        Berufsabschluss plus Zusatzqualifikation

Die wichtigsten Anbieter von Zusatzqualifikationen stellen die Ausbildungsbetriebe dar, die über die Art und den Umfang der Zusatzqualifizierung ihrer Auszubildenden entscheiden. Vielfach werden die vom Betrieb angeboten zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen durch externe Bildungsanbieter unterstützt. Die Berufsschulen bieten ebenfalls Zusatzqualifikationen an und erlauben das zusätzliche Erwerben von berufsbezogenen Fremdsprachen- oder EDV-Kenntnissen. Auch eröffnen sie die Möglichkeit, parallel zur Ausbildung die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife zu erlangen. Zusatzqualifikationen werden weiterhin von den Kammern, die häufig auch für die Prüfung der Zusatzqualifikation verantwortlich sind, und anderen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen wie den Bildungswerken der Wirtschaft und der Gewerkschaften angeboten.

Die Zusatzqualifizierung findet während der Berufsausbildung statt (oder unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung). Dabei weisen die Zusatzausbildungen einen zeitlichen Mindestumfang auf. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) spricht dann von einer Zusatzqualifikation, wenn der zeitliche Gesamtumfang der Qualifikation nicht weniger als 100 Stunden beträgt. Entscheidend ist, dass die Zusatzqualifikation mit einer Zertifizierung verbunden ist, wobei diese extern, z.B. von einer Kammer durchgeführt wird, z.B. in Verbindung mit der Abschlussprüfung.

Zusatzqualifikationen:

   -  Angebot für leistungsstarke Auszubildende
   -  Zeitnahe Ergänzung zur Ausbildung im dualen System
   -  Nicht in der Ausbildungsordnung vorgeschriebene Inhalte
   -  Zeitlicher Mindestumfang (etwa 100 Stunden)
   -  Zertifizierung

Zusatzqualifikationen stellen ein wichtiges Element für Betriebe dar, die Ausbildung zu verbessern und an die betrieblichen Möglichkeiten anzupassen, Ausbildungsinhalte zu vertiefen und eine berufliche Spezialisierung vorzubereiten.

2. Rechtliche Rahmenbedingungen der Zusatzqualifikationen

Im novellierten Berufsbildungsgesetz, das seit dem 01. April 2005 in Kraft ist, wird im §5 (Ausbildungsordnung) die Möglichkeit der Vermittlung über das Ausbildungsberufsbild hinausgehender zusätzlicher beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, welche die berufliche Handlungsfähigkeit ergänzen und erweitern können, zugelassen. Der Gesetzgeber will damit die enge Verknüpfung von Aus- und Weiterbildung unterstützen und eine breiteren Einsatz der Auszubildenden auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Insofern die zusätzlichen Qualifikationen nicht zum Mindestgehalt des Ausbildungsberufs gehören, müssen (bzw. können) sie gesondert geprüft und bescheinigt werden (§49 des Berufsbildungsgesetzes). Zusatzqualifikationen sind immer ein freibleibendes, eben zusätzliches Angebot, das über den Pflichtumfang der Ausbildungsordnung hinausgeht.

3. Vorteile der Zusatzqualifikationen

Die Zusatzqualifikationen haben sowohl Vorteile f ür den Betrieb als auch f ür den Auszubildenden. So lassen sich Zusatzqualifikationen als gezielte betriebliche Nachwuchsförderung einsetzen. Auszubildende können über die Zusatzqualifikation auf spezifische und erhöhte Qualifikationserfordernisse im Betrieb vorbereitet werden. Auch ermöglichen die Zusatzausbildungen eine flexiblere und breitere Einsetzbarkeit der Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung im Betrieb. Insgesamt wird die Attraktivität der dualen Berufsausbildung durch mehr Flexibilität und Praxisnähe erhöht. So lassen sich auch besonders leistungsstarke Auszubildende gewinnen und an den Betrieb binden. Die innovative Weiterentwicklung des jeweiligen Ausbildungsprofils wird durch Zusatzqualifikationen gefördert.

Für den Auszubildenden liegen die Vorteile der Zusatzqualifikation in der langfristigen Verbesserung der Arbeitsmarktchancen durch einen Wissensvorsprung und durch Kenntnis neuer Arbeitsfelder. Darüber stellt das Absolvieren einer Zusatzqualifikation an sich bereits einen Beweis für besondere Leistungsbereitschaft dar. Dementsprechend erhöht der Auszubildende über eine Zusatzqualifikation auch seine Chance für eine Übernahme nach abgeschlossener Ausbildung sowie für einen beruflichen Aufstieg. Letztlich bedeutet eine Zusatzqualifikation für den Auszubildenden auch einen Zeitgewinn, insofern Zusatzqualifikationen in der Regel auf die spätere Weiterbildung angerechnet werden. Mit Hilfe des Instruments „Zusatzqualifikationen“ kann nicht nur einem speziellen betrieblichen Bedarf Rechnung getragen und Wandlungen im Beruf unterhalb der Schwelle einer beruflichen Neuordnung aufgefangen werden, sondern es können auch besonders leistungsstarke Auszubildende gezielt gefördert und zusätzlich motiviert werden.

Vorteile der Zusatzqualifikationen 

  • Verbesserung der Aufstiegschancen der Auszubildenden
  • Förderung der innovativen Weiterentwicklung des Ausbildungsprofil
  • Erhöhung der Attraktivität des dualen Systems (mehr Flexibilität und Praxisnähe)
  • Flexiblere und breitere Einsatzmöglichkeiten der Auszubildenden
  • Vorbereitung auf spezifische und erhalte Qualifikationserfordernisse
  • Gezielte betriebliche Nachwuchsförderung
  • Zeitgewinn für den Auszubildenden, da parallel zur Berufsausbildung
  • Erhöhung der Übernahme und Aufstiegschancen
  • Teilnahme zeigt besondere Leistungsbereitschaft

4. Einige Praxisbeispiele

(1) Auszubildende zum Industriemechaniker können durch die Zusatzqualifikation „Elektrofachkraft“ für festgelegte Tätigkeiten erweiterte Fachkenntnisse erlangen. Dadurch sollen diese Auszubildenden dazu befähigt werden, Arbeiten an elektrischen Betriebsmitteln durchzuführen. Es werden fachtheoretische und fachpraktische Qualifikationen der Elektrotechnik vermittelt, um diejenigen, die diese Zusatzqualifikation wählen, zu befähigen, betriebsspezifisch festgelegte Tätigkeiten als Elektrofachkraft eigenverantwortlich durchzuführen. So werden beispielsweise ergänzend zum laut Ausbildungsordnung vorgeschriebenen Erlernen des Gebrauchs von Werkzeugen bei der Elektromontage das Abisolieren elektrischer Leiter, das Anbringen von Adernhülsen und Kabelschuhen und ähnliche die Ausbildung erweiternde Tätigkeiten erlernt. Die Zusatzqualifikation beginnt nach Ende des ersten Lehrjahres. Der theoretische Unterricht findet an der Berufsschule, der praktische Unterricht im Betrieb statt. Insgesamt dauert die Zusatzqualifikation 150 Stunden. 

(2) Vielfältige Zusatzqualifikationen dienen auch der Vermittlung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse. So bietet die Europa Fachakademie für Abiturienten bzw. Fachabiturienten die Zusatzqualifikation Betriebswirt/in EFA an. Auszubildenden mit guten Leistungen soll so eine Höherqualifizierung für den beruflichen Aufstieg ermöglicht werden. In der Zusatzausbildung werden Kenntnisse der verschiedenen betriebs- und volkswirtschaftlichen Fachgebiete, aber auch englische und spanische Sprachkenntnisse vermittelt. Die Ausbildung beginnt im zweiten Jahr der dualen Berufsausbildung und umfasst insgesamt 900 Stunden. Sie endet nach 29 Monaten, d.h. etwa ein Jahr nach dem Erwerb des Kaufmanngehilfenbriefes und wird mit einer Prüfung abgeschlossen.

(3) Andere Unternehmen bieten Fremdsprachenkenntnisse oder spezielle Verkaufsschulungen oder zusätzliche allgemeinbildende Abschlüsse als Zusatzqualifikationen an.


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK