Vier-Stufen-Methode

Die Vier-Stufen-Methode der Arbeitsunterweisung gilt als die „klassische“ Unterweisungsmethode.Diese Ausbildungsmethode beruht im Kern auf dem Prozess des Vormachens und Nachmachens. Der Ausbilder demonstriert einen Arbeitsablauf, und der Auszubildende hat die Übung möglichst genau so zu wiederholen, wie sie ihm vorgemacht worden war. Durch ständiges Üben soll der Ablauf anschließend zur Gewohnheit werden.

Der Ausbilder bereitet dabei den Auszubildenden auf das Thema vor, führt dann die Arbeitshandlung vor, beobachtet das Nachmachen und kontrolliert Übungsverlauf und -erfolg. Der Auszubildende versucht, die vorgemachte Handlung nachzuahmen und einzuüben.

1. Die Unterweisungsgliederung

Vor der Unterweisung, das heißt vor der eigentlichen Vermittlung des Arbeitvorgangs sollte vom Ausbilder eine schriftliche Unterweisungsgliederung erstellt werden. Die zu unterweisende Arbeitstätigkeit wird dabei nach Lernabschnitten, Arbeitsablaufbeschreibung und Arbeitshinweise sowie Begründungen aufgeschlüsselt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Unterweisung verständlich, gegliedert, vollständig, gründlich und einprägsam erfolgen kann.

Der Hauptteil der Unterweisungsgliederung besteht aus vier Spalten. In der ersten Spalte „Lernabschnitte“ wird der Arbeitsablauf in Teilschritte zerlegt. Es geht darum, anzugeben, was in einem Abschnitt erlernt oder getan werden muss. Ein solcher Lernabschnitt sollte gerade so groß sein, dass der Lernende ihn auf einmal aufnehmen und behalten kann. Dabei umfasst er in der Regel einen in sich abgeschlossenen Teilabschnitt der Arbeit an dessen Ende meist eine Pause steht.

In der Spalte „Arbeitsablauf und Arbeitshinweise“ wird ein Lernabschnitt näher zerlegt. Es geht darum anzugeben, wie ein Arbeitsabschnitt durchgeführt werden sollte, damit die Arbeit richtig gelingt. Mit Arbeitshinweisen sind alle Erläuterungen und Hinweise des Ausbilders gemeint, die dieser dem Lernenden geben sollte und auf die der Lernende bei der Ausführung zu achten hat. Dazu zählen Kniffe, Kunstgriffe, Gedächtnisstützen und Arbeitsvorteile. Darüber hinaus sind Hinweise erforderlich, die die Arbeitssicherheit gewährleisten sollen.

In der Spalte „Begründungen“ erfährt der Lernende, warum die Arbeit in der vorgegebenen Weise ausgeführt werden sollte. Der Lernende soll hier Einsicht in bestimmte Notwendigkeiten der Arbeitsausführung erhalten. Er soll nicht einfach nur zum Nachmachen animiert werden, sondern auch die Zusammenhänge verstehen.

Indem er Begründungen für die Arbeitsausführungen formuliert, wird auch der Ausbilder angehalten, sich mit jahrelang als selbstverständlich empfundenen Arbeitsmethoden auseinander zu setzen. Unter Umständen wird er feststellen, dass er gar nicht mehr weiß, warum eine Arbeit gerade so und nicht anders ausgeführt wird. So mag er bei den Überlegungen zu den

Begründungen feststellen, dass dieser oder jener Arbeitsvorgang heute einfacher ausgeführt werden kann oder auch gar nicht mehr nötig ist.

Lernabschnitte
(WAS?)

• Wichtige Teilvorgänge, folgerichtige Abschnitte
• Natürliche Unterbrechungsmöglichkeiten

Arbeitsablauf und Arbeitshinweise
(WIE?)

• Hinweise, die ein Gelingen der Arbeit sicherstellen
• Hinweise, die der Arbeitssicherheit dienen

Begründungen
(WARUM SO?)

• Begründungen schaffen Einsicht in Notwendigkeiten der Arbeitsausführungen
• Sie ermöglichen ein sinnvolles Nachvollziehen durch den Lernenden
• Sie fördern die Arbeitsmotivation
• Begründungen sind pädagogisch wichtig

Die Unterweisungsgliederung kann nach durchgeführter Unterweisung dem Lernenden ausgehändigt werden. So verfügt der Lernende über eine Verfahrensvorschrift, auf der er bei der Arbeitstätigkeit jederzeit zurückgreifen kann.

Das Erstellen der Unterweisungsgliederung ist besonders für die methodische Ausbildung bedeutsam. Der Ausbilder sieht, wie ein Lehrstoff geordnet und unterteilt werden kann. Dieses systematische Vorgehen hilft ihm, Fehler bei der Unterweisung zu vermeiden. Er wird gezwungen, sich bereits im Vorfeld die Schwierigkeiten deutlich zu machen, die mit einer zu erlernenden Arbeit einhergehen.

2. Die vier Stufen

Bei der Vier-Stufen-Methode werden die folgenden vier Stufen nacheinander durchlaufen: Vorbereitung, Vorführung, Nachvollzug/Nachmachen und Übung.

Stufe 1: Vorbereitung

Der Aktivitätsschwerpunkt liegt beim Ausbilder.

Zu Beginn der Unterweisung nennt der Ausbilder Thema und Lernziel, um beim Auszubildenden Interesse zu wecken. Dabei knüpft er am Kenntnisstand und den Lernvoraussetzungen des Auszubildenden an und ermuntert ihn zum Mitdenken. Zugleich gibt der Ausbilder auch eine methodische Einführung.

Allgemeine Vorgehensweise:

1. Voraussetzungen schaffen

    1.1 Unterweisungsgliederung erstellen
    1.2 Betriebsmittel und Arbeitsgegenstände vorbereiten und bereitstellen

2. Einstimmung der Lernenden

    2.1 Vorstellen und persönlichen Kontakt herstellen, Befangenheit nehmen
    2.2 Lernziel nennen und Interesse wecken (Motivieren)
    2.3 Vorkenntnisse feststellen
    2.4 Lernenden richtig aufstellen

Stufe 2: Vorführung

Aktivitätsschwerpunkt liegt beim Ausbilder.

In der 2. Phase wird die Tätigkeit durch den Ausbilder vorgeführt, und zwar zuerst vollständig, dann in Teilschritten, dann wieder vollständig. Dabei werden die einzelnen Schritte mit verbalen Erläuterungen begleitet, was getan werden muss, wie es getan werden muss und warum es so getan werden muss.

Für diese zweite Stufe der Unterweisung gelten folgende Grundsätze: Der Ausbilder soll

• nur soviel vormachen und erklären, wie der Auszubildende aufnehmen kann,
• einfach und verständlich erklären,
• dem Auszubildenden möglichst viele Fragen stellen und an dessen Antworten
   beim weiteren Unterweisen anknüpfen,
• auf Arbeitssicherheit ständig hinweisen.

Bei Wiederholung dieser Stufe sollte sich das aktive Lehren des Ausbilders bereits in das gewünschte aktive Lernen des Auszubildenden umwandeln, indem der Ausbilder dem Auszubildenden das Erklären und Begründen überlässt und zu Verständnisfragen ermuntert. Falls notwendig, sind dabei die Kernpunkte nochmals herauszustellen und besonders schwierige Teilvorgänge stichwortartig zu betonen.

Allgemeine Vorgehensweise:

1. Erste Vorführungsart
    Überblick geben: Die Arbeit vollständig und im Ganzen vorführen ohne
    auf Einzelheiten einzugehen

2. Zweite Vorführungsart
    Ins Detail gehen: Vorführen in Lernabschnitten, dabei genau erklären und
    begründen (Was, Wie und Warum So)

3. Dritte Vorführungsart
    Zügig vorführen: Flüssiges Vorführen der Arbeit im Ganzen und dabei im
    Kurztext erklären. Soweit möglich den Lernenden veranlassen, den Arbeitsablauf
    selbst zu beschreiben und Arbeitshinweise selbst zu geben.

Stufe 3: Nachvollzug

Aktivitätsschwerpunkt beim Auszubildenden

Nach dem „Vormachen und Erklären“ durch den Ausbilder muss der Auszubildende den Arbeitsgang nachmachen, also selbst ausführen. Beim Nachmachen sollte der Ausbilder darauf achten, dass der Auszubildende den Arbeitsgang auch erklärt. Der Auszubildende soll jetzt genau beantworten können: Was ist zu tun? Wie muss es gemacht werden? Warum muss es so und nicht anders gemacht werden? Dabei sollte er ermutigt werden auch eigene Auffassungen zum Arbeitsablauf zu äußern.

Fehler und Ungenauigkeit sollten dabei möglichst früh korrigiert werden, insbesondere dann, wenn sich die Unterweisung an einem Arbeitsvorgang innerhalb des betrieblichen Ablaufs vollzieht.

 Allgemeine Vorgehensweise:

1. Erste Nachvollzugsart
    Überblick gewinnen: Wenig korrigierend eingreifen. Nur auf Fehler eingehen,
    die sich im Verlauf des Nachmachens nicht von alleine abbauen. Erfolgreiche
    erste Versuche anerkennen. Bei Misslingen wiederholtes Vorführen.

2. Zweite Nachvollzugsart
    Ins Detail gehen: Den Lernenden die Arbeit nach Lernabschnitten ausführen
    und mitsprechen lassen.

3. Dritte Nachvollzugsart
    Zügig ausführen: Den Lernenden die Arbeit flüssig im Ganzen ausführen und
    mitsprechen lassen. Nach besonders wichtigen Arbeitsabläufen und
    Arbeitshinweisen fragen.

Stufe 4: Übung

Aktivitätsschwerpunkt liegt beim Auszubildenden und beim Ausbilder. Hat der Auszubildende eine gewisse Sicherheit erreicht, soll er selbständig weiterüben um das Erlernte zu festigen und Unsicherheit abzubauen. Der Ausbilder beobachtet und kontrolliert die Übungen. Er überprüft dabei, ob der Arbeitsgang wirklich fehlerfrei abgewickelt worden ist und zeigt dem Auszubildenden Möglichkeiten für die Eigenkontrolle. Fortschritte sollten anerkannt und gelobt werden.

Allgemeine Vorgehensweise:

1. Selbständig üben lassen
    Den Lernenden auf sich selbst stellen und für längere Zeit alleine lassen.

2. Helfer benennen
    Ein darauf vorbereiteter Arbeitskollege sollte die Patenschaft übernehmen
    und für Fragen des Lernenden zur Verfügung stehen.

3. Übungsfortschritt beobachten
    Übungsfortschritt ermitteln und mögliche Leistungsstillstände oder –
    rückgänge erklären.

4. Übungsarbeit anerkennen
    Lernfortschritte herausstellen, Korrekturen an der Übungsarbeit vornehmen
    (keine persönliche Kritik).

5. Unterweisung förmlich beenden

3. Arbeitspädagogische Beurteilung der Vier-Stufen-Methode

Die Vier-Stufen-Methode ist überall dort angebracht, wo manuelle Arbeiten und berufliche Verhaltensweisen vom Auszubildenden erlernt werden müssen. Dazu gehört neben handwerklichen Arbeiten auch der Umgang mit Anwendungssoftware.

Sehr hilfreich ist die Methode insbesondere beim Erlernen von handwerklichen Grundfertigkeiten und eher bewegungsorientierten Tätigkeiten, bei denen Tätigkeitsabläufe „eingeschlissen“ werden sollen und der Auszubildende ein Bild von der richtigen Ausführung benötigt. Sie ist weniger geeignet, den Auszubildenden bei der selbstständigen Bewältigung komplexer Arbeitstätigkeiten anzuleiten.

Die Vier-Stufen-Methode hat einen eher restriktiven Charakter. Der Lernprozess ist stark geführt, so dass Eigentätigkeit und Selbststeuerung des Lernenden nicht gefördert werden.

Der Nachvollzug des Ausbilderverhaltens steht im Vordergrund der Unterweisung und das Verstehen der hinter den Verhaltensweisen stehenden Strategien und fachlichen Gesetzmäßigkeiten eher im Hintergrund.


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK