Berufliche Handlungskompetenz und Prozessorientierung

1. Einleitung

Bei der Entwicklung neuer Lern- und Prüfungsformen geht es vor allem darum, den neuen betrieblichen Anforderungen und den sich im betrieblichen Kontext zeigenden Veränderungen besser gerecht zu werden.9 Vor diesem Hintergrund muss auch die Neuordnung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Elektro- und Metallberufe gesehen werden. Gemeinsam ist allen Prüfungsformen, sei es nun die integrierte Prüfung, das Fachgespräch oder die Situationsaufgaben, wobei die Übergänge zwischen einzelnen Prüfungsformen teilweise fließend sind, der stärkere Handlungsbezug, der eben auch wie das Lernfeld-Konzept zeigt, in das schulische Lernen besser integriert werden soll. Als zentrale immer wieder auftauchende Begriffe zeigen sich dabei die berufliche Handlungskompetenz und die sogenannte Prozessorientierung bzw. Prozessqualifikation.

2. Berufliche Handlungskompetenz

Der Terminus „berufliche Handlungskompetenz“, der mittlerweile auch in das Berufsbildungsgesetz aufgenommen wurde (BBiG 2005, §1, §38), bezeichnet das Potenzial beruflicher Fähigkeiten, das es dem Menschen erlaubt, den Leistungsanforderungen konkreter beruflicher Situationen entsprechend zu agieren. Entscheidend ist dabei der Situationsbezug des beruflichen Handelns. So müssen z.B. bei einer beruflichen Problemstellung Informationen interpretiert und situationslösungsgerecht umgebildet werden. Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes lassen sich bei der beruflichen Handlungskompetenz Handlung und Kompetenz nicht voneinander trennen, denn die Kompetenz wird einerseits über das Handeln gewonnen, wie sich andererseits Kompetenz wiederum im Handeln zeigt. Hierbei wird deutlich, dass es bei der beruflichen Handlungskompetenz auch um die Überwindung der traditionellen Theorie-Praxis-Differenz geht. Die berufliche Handlungskompetenz bezeichnet in diesem Sinne ein modernes, ganzheitliches, flexibles, handlungsorientiertes Zielkonzept der Berufsausbildung, das sowohl den veränderten Bedingungen der Arbeitswelt als auch den individuellen Gestaltungswünschen der Menschen Rechnung tragen soll.

BERUFLICHE HANDLUNGS-KOMPETENZ

Reflexion/Kontrolle -  Kompetenzgewinnung  - Prozessorientierung

Informieren - Planen - Durchführen - Kontrollieren - Qualität sichern

3. Prozessorientierung

In eine ähnliche Richtung tendiert auch die sogenannte Prozessorientierung bzw. Prozessqualifikation. Auch sie wird bei vielen der neuen Prüfungsformen als zentrales Prüfungselement genannt und bestimmt die Struktur der Prüfungsformen entscheidend mit. Bei der Prozessorientierung wird das gesamte betriebliche Handeln als Kombination von Prozessen betrachtet. Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen im Unternehmen werden dabei durch eine ständige Verbesserung und Optimierung der Prozesse erreicht. Die Phasen der Produktion - Planung, Durchführung und Kontrolle bzw. Inbetriebnahme – werden als aufeinander bezogen und strukturell aufeinander angewiesen betrachtet. In diesem Sinne wird auch in den Prüfungsordnungen der industriellen Elektroberufe vom sogenannten vollständigen Handlungszyklus ausgegangen, wobei der Weg ausgehend von der Informationsbeschaffung zur Qualitätssicherung führt, deren Ergebnisse wiederum als neue und verbesserte Information in den Handlungskreislauf einmündet und das weitere Handeln bestimmt.

Für die Mitarbeiter sind damit erhöhte Anforderungen an ihr berufliches Tätigsein verbunden. Sie müssen nicht nur häufiger selbstverantwortliche Arbeiten durchführen, sondern auch ihre eigenes Tun hinsichtlich seiner Qualität stärker reflektieren und kontrollieren, um Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und korrigieren zu können. Dies setzt ein prozessuales Denken voraus, dass dazu befähigt, die verschiedenen Phasen des betrieblichen Handelns in ihrem Zusammenhang und ihrer logischen Abfolge zu sehen, um danach das eigene Handeln ausrichten zu können.

4. Berufliche Handlungskompetenz und Prozessorientierung als Bestandteil der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen

Im Sinne einer besseren Verzahnung von betrieblichem und schulischem Handeln tragen die neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der beruflichen Handlungskompetenz und der Prozessorientierung dadurch Rechnung, dass sie stärker als bisher den Schwerpunkt auf die Beherrschung komplexer Handlungsabläufe und der Entwicklung alternativer und offener Lösungswege legen, statt wie bisher auf eine reine Ergebnisorientierung. Der Auszubildende bzw. der Prüfungsteilnehmer muss dementsprechend in der Lage sein, ganze Wertschöpfungsketten zu verstehen und in Abläufen zu denken. Hierzu zählt auch, vielfältige Prüfungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen anwenden zu können.

Selbständig zu tätigende Aufgaben des Prüfungsteilnehmers
(Berufsbild: Elektroniker/in)

1. Elektrische Schutzmaßnahmen prüfen
2. Sicherheit von Anlagen und Betriebsmitteln beurteilen
3. Material und Werkzeuge disponieren
4. Notwendige Arbeitsabläufe planen und ggf. mit Kollegen abstimmen
5. Technische Unterlagen auswerten und technische Parameter bestimmen
6. Auftragsdurchführung dokumentieren und Prüfprotokolle erstellen
7. Betriebswerte kennen, einstellen und messen
8. Fehler suchen und beheben
9. Systeme analysieren und Funktionen prüfen

 

 


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK