Erlebnispädagogik 


Die Wurzeln der Erlebnispädagogik (s. ausführlich Bauer 1984/2001) lassen sich, wenn man so will, sogar bis in die Antike zurückverfolgen (etwa Plato und die „Wohlgestimmtheit der Seele“ durch „Gymnastik“ und „Musik“). Aufklärungsimpulse entstammen vor allem der Existenz- und Lebensphilosophie (s. insbes. Bergson), pädagogische Ausprägungen verschiedenster Art entwickelten sich insbes. in der sog. à Reformpädagogik (s. Oelkers 1989).

Wichtige Motive: Die (philosophische) Auseinandersetzung mit dem „Leben“` in dessen „unstetigen“ und unwägbaren Formen. In der Reformpädagogik vor allem die Auseinandersetzung mit der Lebensferne der Schule und Erziehung und der Entwicklung von „Bewegungen“ wie der „Kunsterziehungsbewegung“, der „Arbeits- und (Berufs-)Schulbewegung“, der „Jugend- und Landerziehungsheimbewegung“, Individualisierungen des Lernens (etwa „vom Kinde aus“ oder die „Waldorfschulbewegung“ etc.).

Ein bekannterer Bezugspunkt für „die“ Erlebnispädagogik – obwohl sie bis heute noch kein klar definiertes Gebilde im Sinne einer Theorie oder eines klar umreißbaren Gebildes von Praxis darstellt – ist in „jüngerer“ Zeit Kurt Hahn (1886 – 1974) und dessen „Erlebnistherapie“. Er hat, gerade in gesellschafts- und kulturkritischem Zusammenhang, einen Ansatz entwickelt, in dem vor allem „körperliche Tüchtigkeit“, aber auch „menschliche Anteilnahme“, „Sorgsamkeit“, und „Initiative“ als „Gegengift“ gegen „Verfallserscheinungen“ wirken soll(t)en.

Auch von dort her (neben z.B. Rousseau, Thoreau u.a., s. dazu besonders Heckmair u.a. 1998)) stammen die Bezugspunkte der „Natur“(-Erfahrung) und der „Körperlichkeit“ bzw. des eigenaktiven Handelns. All solche Momente hat J. Dewey (1916, 1986) in seinen Ausarbeitungen für ein Lernen in „Projekten“ zusammengestellt.

Erlebnispädagogik heute ist außerordentlich facettenreich. In Anspruch genommen werden gerne Begriffe wie „Ganzheitlichkeit“ (Körper, Geist und Seele), „aktiv-handlungsorientiertes, natur- bzw. realitäts- bzw. praxisnahes Lernen“, aber auch „spielerisches“, „kreatives“ Lernen u.ä.m.

Sehr große Bedeutung hat sie im Feld der Jugendhilfe erlangt, in dem man mit den sog. „schwererziehbaren“ jungen Menschen aktionssportliche, naturnahe Aktionen und Projekte durchführt, zu denen auch die umstrittenen „Auslandsprojekte“ gehören. Stichworte: Eigenverantwortung und praktische Verantwortung übernehmen; delinquentes Milieu verlassen; andere kulturelle Erfahrungen machen, u.ä.

Interessanterweise haben gerade die natursporthaft-herausfordernden Aktionen auch im Managementbereich an Interesse gewonnen. (Auch) dort erwartet man sich von Segeltörns, gemeinsamen Erlebnissen etwa auf „High-Rope-Courses“ u.ä. vor allem soziale Effekte („team building“, Entwicklung/Verbesserung sozialer Kompetenzen u.ä.).

Gewissermaßen einen Zwischenbereich bildet das Feld der Therapien, in denen Selbsterfahrung, das Erleben eigener Grenzen u.ä. eine ebenfalls große Bedeutung gewonnen haben. Auch dort kann vielfache Varianten zwischen einer „härteren“ Methodik und „softere“ Formen (z.B. gestalttherapeutische, musische, rituelle .a.m.) vorfinden (vgl. etwa Kreszmair u.a. 2000).

Eine Perspektive, die wir als Möglichkeit erachten, hier Zusammenhänge zu stiften, sehen wir im Konzept des „erfahrungsgeleiteten Handelns und Lernens“. Denn: ob „schwierige Jugendliche oder Problemlösungen in Unternehmen/Betrieben: Lernen mit und an der Realität (zu der existentiell „die“ Natur genauso gehört wie „die“ Arbeit) wird heute immer wichtiger. Das individuelle Erleben (-Können) ist die Voraussetzung dafür, überhaupt Erfahrungen machen zu können.

Insbesondere „das Erlebnis“ steht heute in der Gefahr, von den kommerziellen Ausbeutungsformen etwa des konsumptiven „Erlebens“ und „Abenteuers“ vereinnahmt zu werden.

Hans G. Bauer, GAB München


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK