Prüfungsstück und Arbeitsprobe

1. Bestimmung

In traditionellen Prüfungsstrukturen wurden berufliche Prüfungen in zwei grundsätzliche Prüfungsteile unterteilt: die schriftliche Kenntnisprüfung und die praktische Prüfung. Die praktische Prüfung wurde im gewerblich-technischen Bereich als „Fertigkeitsprüfung“ durchgeführt und im kaufmännischen Bereich als „Praktische Übung“. Im Rahmen der Fertigkeitsprüfung hatten sich in der Vergangenheit vor allem die Prüfungsmethoden „Prüfungsstück“ und „Arbeitsprobe“ etabliert, bis sie teilweise seit einigen Jahren von neuen Prüfungsmethoden abgelöst wurden.

Prüfungsstück

Bei einem Prüfungsstück besteht die Anforderung für den Prüfling im Wesentlichen darin, fachlich genau zu arbeiten und ein den Anforderungen entsprechendes Produktherzustellen. Dabei kommt es nur auf das Endergebnis an, während der Weg auf dem das Ergebnis erreicht wurde (Fehler, Korrekturen, misslungene Versuche etc.) nicht berücksichtigt wird. Das entstandene Endprodukt wird mit den Anforderungen verglichen und bewertet (Produktbewertung). Diese Bewertung erfolgt meist an klar definierbaren Kriterien (Maße, Gewicht, Ebenheit, Funktionsfähigkeit etc.)

Insgesamt muss der Prüfling somit bei einem Prüfungsstück seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, in dem er’s diese in einem Produkt abbildet, das bewertet wird.

Beispiele für das Prüfungsstück sind z.B. Gesellenstücke und Meisterstücke, aber auch Prüfungsstücke, die in einer betrieblichen Prüfung angefertigt werden.

Arbeitsprobe

Die Arbeitsprobe ist im Gegensatz zum Prüfungsstück eine umfassendere Prüfungsmethode. Im Rahmen der Arbeitsprobe wird der Prüfling ebenso aufgefordert, ein Produkt zu erstellen, das definierten Anforderungen entsprechen muss. Dieses Produkt wird bewertet (vgl. Prüfungsstück). Zudem wird aber noch der Prozess bewertet, der zu dem Arbeitsergebnis geführt hat. Um dies zu leisten muss die Möglichkeit geschaffen werden, die Arbeitsweise des Prüflings zu beobachten und zu beurteilen. Damit umfasst die Arbeitsprobe umfasst neben einer Produktbewertung auch eine Prozessbewertung.

2. Kritik an „Prüfungsstück“ und „Arbeitsprobe“

Ziel der Prüfungsmethoden „Prüfungsstück“ und „Arbeitsprobe“ war es im Sinne des BBIG (von 1969) die Fertigkeiten des Prüflings zu testen.

§ 35 Prüfungsgegenstand (BBIG 1969) Durch die Abschlussprüfung ist festzustellen, ob der Prüfling die erforderlichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen praktischen und theoretischen Kenntnisse besitz und mit dem ihm im Berufsschulunterricht vermittelten, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist. Die Ausbildungsordnung ist zugrunde zu legen.

Im Laufe der Zeit wurden spezielle Vorlagen für Prüfungsstücke und Arbeitsproben entwickelt, um punktgenau bestimmte fachliche Fertigkeiten abzuprüfen. Diese Professionalisierung der Aufgabenerarbeitung führte zu einer Vielzahl an unterschiedlichen Aufgabenstellungen für viele Berufsausbildungen.

Im Rahmen der Entwicklung der Ausbildungspraxis wurde aber mit der Zeit jedoch Kritik an Prüfungsstücken und Arbeitsproben laut. Einerseits wurde kritisiert, dass beide Prüfungsmethoden mittlerweile so zu sagen ein Eigenleben entwickelt hatten und sie sich nicht mehr an realen beruflichen Tätigkeiten orientierten. Dazu könnten unter anderem auch die Ausbildungen in Lehrwerkstätten beigetragen haben, die oftmals noch das Erstellen von Produkten zu Übungszwecken verfolgten. Den Prüfungsmethoden Prüfungsstück und Arbeitsprobe wurde daher vorgeworfen vornehmlich „Edelschrott“ zu erstellen, bzw. abzuprüfen.

Andererseits wurden kritisiert, dass beide Prüfungsmethoden eingetretene, grundsätzliche Veränderungen in der Ausbildungspraxis nicht berücksichtigten. Sowohl das Prüfungsstück, als auch die Arbeitsprobe konzentrierten sich auf die Überprüfung der fachlichen Fertigkeiten des Prüflings. Neue Anforderungen an einen Facharbeiter, z.B. einen kompletten Handlungsablauf mit den Phasen Planen, Durchführen und Kontrollieren selbstständig bearbeiten zu können (Handlungsorientierung), wurden nicht abgeprüft. Genauso wenig der Anspruch, dass ein Facharbeiter heute das Ineinandergreifen von Prozessen in einem Unternehmen verstehen muss, um u.U. Fehler frühzeitig zu vermeiden. Diese Fähigkeit Handlungsabläufe in den Zusammenhang der vor- und nachgelagerter Abläufe einzubetten (Prozessorientierung) konnte ebenso wenig mit den beiden Prüfungsmethoden abgeprüft werden.

Aus der Kritik an den Prüfungsmethoden Prüfungsstück und Arbeitsprobe wurden Anfang der 1990er unterschiedliche Versuche unternommen, neue Prüfungsmethoden zu entwickeln. Ergebnis dieses Prozesses die „neuen“ Prüfungsmethoden, die mittlerweile in vielen Berufsaus- und weiterbildungen eingeführten sind.

Gestreckte Prüfungen

1. Bestimmung

Im Zuge der Veränderungen in der industriellen Arbeitswelt mit wachsenden Anforderungen (Abbildung 1) und vernetzten neuen Technologien werden in den Bereichen Elektro und Metall ab 2007 neue Prüfungsordnungen eingeführt, die die sogenannte „gestreckte Prüfung“ für alle Ausbildungsbetriebe verbindlich machen. Bei diesem Prüfungsmodell wird die bislang in der Prüfungsordnung vorgesehene Zwischenprüfung durch eine Abschlussprüfung Teil 1 ersetzt, die im Unterschied zur früheren Zwischenprüfung in das Gesamtprüfungsergebnis mit einfließt. Die bisherige Abschlussprüfung bleibt als Abschlussprüfung Teil 2 in der Prüfungsordnung bestehen. Die „gestreckte“ Prüfung beinhaltet also somit zwei Teilprüfungen, die zusammengenommen das Gesamtergebnis der Prüfung ergeben.

Merkmale der neugeordneten Facharbeiterberufe 

  • Betriebswirtschaftliche Kompetenzen
  • wachsende Planungs-souveränität
  • Zunehmende IT-Kompetenz
  • Verantwortliches Handeln im Sinne von Qualität-management
  • Prozessorientierung
  • Industrielle Dienstleistungen im unmittelbaren Kundenkontakt
  • Eigenverantwortliche Disposition

Neben der Aufteilung der Abschlussprüfung in zwei Teilprüfungen enthält die neue Prüfungsordnung außerdem eine deutlichere Orientierung am ausbildenden Betrieb, insofern dieser einen Prüfungsabschnitt der Abschlussprüfung Teil 2 durch eine eigene Aufgabenstellung – dem sogenannten: betrieblichen Auftrag – bestimmen kann. Schließlich findet sich in den neuen Ausbildungsordnungen, an die die Prüfungsordnungen angepasst sind, eine weiterentwickelte Zeitrahmenmethode, die eine höhere Flexibilität in der Berufsausbildung gewährleisten soll. Hierbei wird der Zeitraum für die Vermittlung der einzelnen Qualifikationen nicht mehr nach Wochen sondern nach Monaten berechnet, was der Ausbilderin bzw. dem Ausbilder größere Gestaltungsmöglichkeiten einräumt.

2. Aufbau der „gestreckten“ Prüfungen

Die beiden Abschlussprüfungen Teil 1 und Teil 2 bestimmen das Gesamtprüfungsergebnis mit einer unterschiedlichen Gewichtung: So geht die Abschlussprüfung Teil 1 mit 40 in das Gesamtergebnis der Prüfung ein, wohingegen es bei der Abschlussprüfung Teil 2 60% sind. Als bestanden gilt die Prüfung, wenn mindestens 50% insgesamt erreicht sind. Dabei kann die Abschlussprüfung Teil 2 auch dann abgelegt werden, wenn in der Abschlussprüfung Teil 1 nicht die geforderten 50% erlangt wurden. Entscheidend für den Prüfungserfolg ist allein das Gesamtergebnis.

Beide Prüfungsteile enthalten sowohl einen praktischen als auch einen theoretischen Prüfungsabschnitt (Abbildung 2). Die Abschlussprüfung Teil 1 fasst diese zusammen als sogenannte „komplexe Aufgabe“ bestehend aus einer: komplexen Arbeitsaufgabe und einer schriftlichen Aufgabenstellung. Beide gehen zu jeweils 50% in das Prüfungsergebnis der Abschlussprüfung Teil 1 ein. Ein Teil der komplexen Arbeitsaufgabe sind: situative Gesprächsphasen, die aus auf die konkrete Phase der Prüfung bezogene Fragen bestehen.

Die Abschlussprüfung Teil 2 gliedert sich wahlweise in einen: betrieblichen Auftrag oder eine - modellhafte praktische Aufgabe (überregionale Aufgabe) und wiederum einer schriftlichen Aufgabenstellung, die sich auf drei Prüfungsbereiche, wovon zwei Prüfungsbereiche fachbezogen sind (z.B. für die industriellen Elektroberufe: Systementwurf und Funktions- und Systemanalyse) sowie Wirtschafts- und Sozialkunde bezieht. Der praktische und schriftliche Teil der Abschlussprüfung Teil 2 geht wiederum jeweils zur Hälfte In das Prüfungsergebnis ein, wobei Systementwurf und Funktions- und Systemanalyse jeweils 20% und die Wirtschafts- und Sozialkunde 10% der Gesamtnote ausmacht.

"GESTRECKTE" PRÜFUNG

ABSCHLUSSPRÜFUNG TEIL 1:  
(-40% der Gesamtprüfung)

KOMPLEXE ARBEITSAUFGABEN
(einschl. situative Gesprächsphasen)
- 50% der Abschlussprüfung Teil
- ca. 7 Stunden

SCHRIFTLICHE AUFGABENSTELLUNG
- 50% der Abschlussprüfung Teil 1
- höchstens 120 Minuten

ABSCHLUSSPRÜFUNG TEIL 2:
(-60% der Gesamtprüfung)
VAR. 1: BETRIEBLICHER AUFTRAG                                                                        
(einschl. begleitendes Fachgespräch)
- 50% der Abschlussprüfung Teil 2
- höchstens 18 bis 30 Stunde

VAR. 2: PRAKTISCHE AUFGABE
(einschl. begleitendes Fachgespräch)
- 50% der Abschlussprüfung Teil 2
- höchstens 18 bis 30 Stunden

SCHRIFTLICHE AUFGABENSTELLUNG        SYSTEMENWURF  
- 50% der Abschlussprüfung Teil 2                  - 20% der Schriftl. Aufgabe
- höchstens 5 Stunden                                    - höchstens 120 Minuten (Var.1)
                                                                       - höchstens 150 Minuten (Var.2)

                                                                      FUNKTIONS-/SYSTEMANALYSE
                                                                      - 20% der Schriftl. Aufgabe
                                                                      - höchstens 120 Minuten (Var.1)
                                                                      - höchstens 105 Minuten (Var.2)

                                                                      WiSo
                                                                       - 10% der Schriftl. Aufgabe
                                                                       - höchstens 60 Minuten (Var.1)
                                                                       - höchstens 45 Minuten (Var.2)

3. Vorteile der „gestreckten“ Prüfungen

Zu den Vorteilen der „gestreckten“ Prüfungen zählen vor allem die gleichmäßige Verteilung des Prüfungsdrucks auf die gesamte Ausbildungszeit aufgrund der Aufteilung der Abschlussprüfung in zwei Teilprüfungen und die stärkere Berücksichtigung der betrieblichen Belange durch die Möglichkeit eine betriebliche Aufgabe als Prüfungsabschnitt zu wählen. Damit wird auch erreicht, dass die Prüfungsinhalte stärker an der betrieblichen Praxis und Erfahrungswelt der Prüfungsteilnehmer orientiert sind. Im Sinne einer integrativen Prüfungsstruktur sind die Lerninhalte und Prüfungsinhalte in der „gestreckten“Prüfung auch besser aufeinander bezogen. Schließlich tragen die „gestreckten“ Prüfungen auch mehr als die bisherige Prüfungsstruktur dem prozessualen Charakter des betrieblichen Handelns und damit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt Rechnung.

"gestreckte" Prüfungen:

-  Weniger Prüfungsdruck durch Verteilung der Gesamtprüfung auf zwei Teilprüfungen
-  Stärkere Berücksichtigung betrieblicher Interessen
-  Stärker an der betrieblichen Praxis orientiert
-  Besserer Bezug der Lern- und Prüfungsinhalte zueinander
     (integrative Prüfungsstruktur)
-  Berücksichtigung der prozessualen Aspekte des betrieblichen Handelns
     (Prozessqualifikation)

Elektromaschinenmonteur/in:              
1. Elektroniker/in für Maschine und Antriebstechnik

Energieelektroniker/in:                      
1. Elektroniker/in für Gebäude und Infrastruktur
2. Elektroniker/in für Betriebstechnik
3. Elektroniker/in für Automatisierungstechnik

Prozesselektroniker/in:
1. Elektronik/in für Automatisierungstechnik

Industrieelektroniker/in:                    
1. Elektroniker/in für Automatisierungstechnik
2. Elektroniker/in für Geräte und Systeme

Kommunikationselektroniker/in:          
1. Elektroniker/in für Geräte und Systeme
2. Systeminformatiker/in

Fluggeräteelektroniker/in:                  
1. Elektroniker/in für luftfahrttechnische Systeme

Mittlerweile wurde das Berufsbildungsgesetz novelliert. Ab dem 1 April 2005 gelten dementsprechend neue Regelungen und die gestreckte Abschlussprüfung wurde im BBiG verankert. Damit kann bei Erlass neuer Ausbildungsordnungen festgelegt werden, ob die Prüfung gestreckt oder – wie bisher – in einem Teil zu absolvieren ist. Entsprechend wurde der alte §42, der die Zwischenprüfung regelt, neu gefasst und im neuen §48 „Zwischenprüfung“ durch den Absatz 2 ergänzt, der eine Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen ausdrücklich als Alternative zur Zwischenprüfung vorsieht.

Komplexe Aufgabe

Komplexe Arbeitsaufgabe – situative Gesprächsphasen – schriftliche Aufgabenstellung

1. Bestimmung

Die Abschlussprüfung Teil 1 der „gestreckten“ Prüfung, die die frühere Zwischenprüfung ersetzt und mit 40% in die Gesamtbewertung der Prüfung einfließt, stellt eine komplexe Aufgabe dar. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe, die aus mehreren, miteinander verbundenen Teilen besteht. Einzelne, isolierte Fragestellungen sind dementsprechend nicht mehr erlaubt. Die komplexe Aufgabe orientiert sich an den Ausbildungsinhalten der ersten 18 Monate der Ausbildung. Dabei ist für die Bewältigung der komplexen Aufgabe insgesamt ein Zeitraum von 10 Stunden vorgesehen. Die komplexe Aufgabe gliedert sich in drei aufeinander bezogene Bereiche: die komplexe Arbeitsaufgabe, die situativen Gesprächsphasen und die schriftliche Aufgabenstellung (Abbildung 1).3 In diesem Sinne stellt die komplexe Aufgabe eine integrierte Prüfung dar, die sowohl ganzheitlich- als auch handlungsorientiert ist.

komplexe Aufgabe
(Abschlussprüfung Teil 1, Höchsten 10 Stunden, 40% der Gesamtprüfung)

Komplexe Arbeitsaufgabe und Situative Gesprächsphasen 
(etwa 7 Stunden, 50% der komplexen Aufgabe)

  • Planung
  • Durchführung
  • Kontrolle/Inbetriebnahme

Schriftliche Aufgabenstellung
(Max. 2 Stunden, 40% der komplexen Aufgabe)

  • 10 ungebundene Aufgaben
  • 35 von 40 gebundenen Aufgaben (praxisrel. Basiswissen)

2. Die komplexe Arbeitsaufgabe

Die komplexe Arbeitsaufgabe ist der praktische Teil der komplexen Aufgabe und wird zentral gestellt. Sie soll in Entsprechung zu den betriebsüblichen Arbeiten stehen. Zusammen mit den situativen Gesprächsphasen ist zu ihrer Durchführung ein Zeitraum von 7 Stunden vorgesehen. Die praktische Aufgabenstellung geht zusammen mit den situativen Gesprächsphasen zu 50% in die Abschlussprüfung Teil 1 ein. Bei der komplexen Arbeitsaufgabe sind im Sinne der Prozessorientierung die drei Phasen Planung, Durchführung und Kontrolle/Inbetriebnahme zu berücksichtigen.

3. Die situativen Gesprächsphasen

Bei den situativen Gesprächphasen handelt es sich um kürzere mündliche Gespräche, die in die komplexe Arbeitsaufgabe integriert sind. Zu jeder der drei Phasen Planung, Durchführung und Kontrolle/Inbetriebnahme können situative Gesprächsphasen durchgeführt werden. Grundsätzlich bieten sich die Phasen der Arbeitsaufgabenabwicklung an, da hierbei generell ein Prüfer anwesend sein muss. In einer komplexen Arbeitsaufgabe müssen mindestens zwei Gespräche stattfinden. Es können aber auch mehr Gespräche in den Prüfungsablauf eingebaut werden. Für die situativen Gesprächsphasen stehen jedoch insgesamt nur 10 Minuten zur Verfügung. Die situativen Gesprächsphasen fließen direkt in die Bewertung der einzelnen Prozessschritte ein und sind vom Prüfungsausschuss während der Arbeitsaufgabe auf den Handlungsschritt des Prüfungsteilnehmers angepasst durchzuführen. So stellt der Prüfer z.B. nach einer vollzogenen Handlung eine Frage zur Vorgehensweise des Prüfungsteilnehmers. Dabei ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass der Prüfungsteilnehmer nicht in einem zusammenhängenden Leistungsprozess unterbrochen wird. Ein geeigneter Zeitpunkt für eine situative Gesprächsphase ist weiterhin, wenn der Prüfungsteilnehmer sich mit einer Nachfrage selbst an den Prüfer wendet, oder wenn der Prüfer z.B. aufgrund einer gefährlichen Handlungsweise in den Ablauf eingreifen muss.

Die situativen Gesprächsphasen dienen der Reflexion des Handelns des Prüfungsteilnehmers und sind dementsprechend keine mündlichen Prüfung im üblichen Sinne. Auch stellen die situativen Gesprächsphasen keine eigenständig und organisatorisch losgelöst zu erbringende mündliche Prüfungsleistung dar, sondern sind mit dem Handeln des Prüfungsteilnehmers verbunden. Situativ heißt in diesem Zusammenhang, dass das Gespräch während der Ausführung – nämlich entsprechend der jeweiligen Situation – geführt wird.

Im Zentrum des Gesprächs steht nicht das Arbeitsergebnis sondern die Entscheidungsmöglichkeiten und Vorgehensweisen. Situative Gesprächsphasen sind insbesondere für die Bewertung von Entscheidungsprozessen zwischen verschiedenen Handlungsoptionen geeignet. Dementsprechend sind die situativen Gesprächsphasen vorzugsweise dort einzusetzen, wo es um die Lösung von Problemen geht und es mehr als eine Problem- lösungsvariante gibt. Dies ist z.B. der Fall, wenn technische Voraussetzungen, zeitliche Verläufe sowie organisatorische und wirtschaftlichen Bedingungen gegeneinander abgewogen werden müssen. In den situativen Gesprächsphasen hat der Prüfungsteilnehmer seine konkrete Vorgehensweise fachlich zu begründen.

Merkmale der situativen Gesprächsphasen

-   Sind auf den Handlungsschritt des Prüfungsteilnehmers angepasst
-   Fließen direkt in die Bewertung der einzelnen Prozessschritte ein
-   Insgesamt ist die Zeitdauer für die Gespräche auf 10 Minuten begrenzt
-   Rechtlich verbindlich. Mindestens zwei Gespräche müssen geführt werden
-   In die komplexe Arbeitsaufgabe integriert
-   Einsatz dort, wo es um Problemlösungen und mehrere Problemlösungswege geht
-   Bewertung von Entscheidungsmöglichkeiten und Vorgehensweisen
-   Finden situativ, d.h. während der Ausführung statt
-   Dienen als Reflexion des Prüfungsteilnehmers

Thematisch sind die situativen Gesprächsphasen durch die Ausbildungsordnungen nicht festgelegt und können dementsprechend auf alle nachzuweisenden Qualifikationen Bezug nehmen. Die Prüfungsordnungen enthalten jedoch festgelegte Anforderungen an den Prüfungsteilnehmer, deren Bewältigung in den jeweiligen situativen Gesprächsphasen bewertet werden soll.

Anforderungen:

1.  Technische Unterlagen auswerten, technische Parameter bestimmen,
       Arbeitsabläufe planen, Material disponieren
2.  Arbeitsteile montieren, verbinden und konfigurieren, Sicherheitsregeln
       und Umweltschutzbedingungen einhalten
3.  Sicherheit von elektrischen Anlagen beurteilen, elektrische Schutzmaßnahmen
       prüfen
4.  Elektrische Systeme analysieren und Funktionen prüfen, Fehler suchen und
       beseitigen, Betriebswerte einstellen und messen
5.  Produkte in Betrieb nehmen und übergeben, Auftragsdurchführung dokumentieren,
       technische Unterlagen erstellen

4. Die schriftliche Aufgabenstellung

Die schriftliche Aufgabenstellung stellt den „theoretischen“ Teil der komplexen Aufgabe dar und geht ebenfalls mit 50% in die Bewertung der Abschlussprüfung Teil 1 ein. Für sie ist ein Zeitraum von maximal 120 Minuten vorgesehen. Im Sinne des zugrunde liegenden ganzheitlichen und handlungsorientierten Prüfungskonzepts gilt auch für die schriftliche Aufgabenstellung, dass sie einen engen Bezug zur praktischen Aufgabe haben soll. Dementsprechend beziehen sich die Fragen auf einzelne Prozessschritte des Arbeitsauftrags. Aufgrund dieser thematischen Nähe zur komplexen Arbeitsaufgabe ist es sinnvoll, die schriftliche Aufgabenstellung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der praktischen Aufgabenstellung durchzuführen.

Für die schriftliche Aufgabenstellung wurde festgelegt, dass sie 10 ungebundene und 40 gebundene Aufgaben enthalten soll, wobei von letzteren 5 Aufgaben abgewählt werden können.4 Ziel ist es, über die Aufgabenstellung auch möglichst komplexe Situationen zu erfassen. Inhaltlich wird in der schriftlichen Aufgabenstellung das Grundlagenwissen geprüft, das sich auch auf die komplexe Arbeitsaufgabe bezieht. Es werden Kenntnisse zu Technologie, Arbeitsplanung, Mathematik und technische Kommunikation abgefragt. Dabei werden 6 Aufgaben aus dem mathematischen Bereich gestellt, wovon jedoch nur eine abgewählt werden kann. Die gebundenen und die ungebundenen Aufgaben bestimmen jeweils zu 50% das Ergebnis der schriftlichen Aufgabenstellung.


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK