Integrierte Prüfungen

1. Bestimmung

Aufgrund technischer Entwicklungen haben sich die Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse deutlich verändert. Dementsprechend werden auch neue Qualifikationsanforderungen an die Fachkräfte gestellt. Insbesondere hat dabei die sogenannte berufliche Handlungskompetenz, d.h. die Fähigkeit sich schnell und flexibel auf neue Arbeitsabläufe und –methoden einzustellen, an Bedeutung gewonnen. In den neuen Ausbildungsordnungen wird dem gemäß die berufliche Handlungskompetenz neben dem Erwerb berufsspezifischer Kenntnisse als gleichwertiges Ausbildungsziel bestimmt. Die Ausbildung selbst orientiert sich zunehmend an Arbeitsaufträgen und Geschäftsprozessen im Sinne der generellen Prozessorientierung.

Dieser Entwicklung tragen auch die integrierten Prüfungen Rechnung, indem sie ausdrücklich die berufliche Handlungskompetenz zu ihrem zentralen Prüfungsgegenstand machen. Dabei wird die den traditionellen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen zugrunde liegende Unterscheidung zwischen mündlichen, schriftlichen und praktischen Prüfungsteilen zugunsten eines stärkeren Theorie-Praxis-Bezugs aufgegeben. Die integrierten Prüfungen verfolgen einen ganzheitlich handlungsorientierten Ansatz und versuchen in diesem Sinne, Ausbildung, betriebliche Realität und Prüfungsgeschehen stärker miteinander zu verschränken. Ähnlich wie die betriebliche Aufgabe als Bestandteil der „gestreckten“ Prüfung stehen somit auch die integrierten Prüfungen in einer engen Orientierung zur betrieblichen Tätigkeit des Auszubildenden.

Merkmale der integrierten Prüfung

1. Orientierung an Arbeitsituationen, -aufträgen und -abläufen der betrieblichen Praxis

2. Orientierung an Arbeitsituationen, -aufträgen und -abläufen der betrieblichen Praxis

3. Gliederung der Prüfungsaufgaben analog konkreter Arbeitsabläufe

4. Integration praktischer und theoretischer Anforderungen

5. Verbindung der sonst getrennten praktischen und schriftlichen Prüfungsteile

2. Anforderungen an integrierte Prüfungsaufgaben

Damit die integrierten Prüfungen möglichst viele Aspekte der beruflichen Handlungskompetenz sichtbar machen können, müssen die konkreten Prüfungsaufgaben entsprechend konzipiert sein. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass die Prüfungsaufgaben von berufstypischen Arbeitsaufträgen ausgehen, selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren beruflicher Handlungen widerspiegeln und ein breites Spektrum an fachlichen und fachübergreifenden Anforderungen stellen. Weiterhin gilt selbstverständlich auch für diese Prüfungsform, dass sie das selbständige Entwickeln von Lösungswegen ermöglichen soll und generell eine Leistungsbeurteilung gewährleisten kann.

Anforderungen an integrierte Prüfungsaufgaben

1. ANGEMESSENE SCHWIERIGKEIT
     Für Berufsanfänger angemessen anspruchsvoll

2. PRAXISNÄHE
     Ausgang bei berufstypischen Arbeitsaufträgen

3. ANFORDERUNGSVIELFALT
    Breites Spektrum fachlicher, fachübergreifender Anforderungen

4. VOLLSTÄNDIGE HANDLUNG
    Planen, Durchführen, Kontrollieren, Widerspiegeln

5. LEISTUNGSBEURTEILUNG
    Beurteilen der beruflichen Befähigung ermöglichen

6. ENTSCHEIDUNGSSPIELRAUM
    Selbständige Entwicklung von Lösungswegen

Mit der Neuordnung des Ausbildungsberufs Technischer Zeichner/Technische Zeichnerin ist im Jahr 1994 zunächst bis zum Jahr 2000 zum erstenmal die integrierte Prüfung Bestandteil einer Prüfungsordnung geworden. Nach erfolgreicher Erprobung wurde im Jahr 2000 die Befristung aufgehoben. Darüber hinaus ist die integrierte Prüfung bisher in keinem anderen Ausbildungsberuf umgesetzt worden. Jedoch hatte die Verbindung von praktischer und theoretischer Prüfungsteile Vorbildfunktion für andere Prüfungsformen in der beruflichen Bildung (z.B. gedehnte Prüfung, gestreckte Prüfung).

Bei der Abschlussprüfung dieses Ausbildungsberufs wird die Integration bei der gesamten Prüfung mit Ausnahme des Prüfungsfachs WiSo berücksichtigt. So werden insgesamt drei integrierte Prüfungsaufgaben gestellt, wobei jede dieser Prüfungsaufgaben eine praktische Aufgabenstellung (Herstellungsteil) mit einem ergänzenden schriftlichen Teil mit überwiegend Aufgaben mit ungebundenen Antworten verbindet. Beim Herstellungsteil geht es darum, technische Unterlagen anzufertigen bzw. zu ändern. Im schriftlichen Teil werden einzelne Aspekte der Herstellung aufgegriffen, die aus verschiedenen Blickwinkeln (Fachspezifische Information und Kommunikation, Produkttechnologie, Fertigungs- und Montagetechnik) zu analysieren sind. Beide Teile der Prüfung ergänzen sich zu einem in sich geschlossenen Ganzen, wobei sich die einzelnen Teilbereiche nur im Zusammenhang sinnvoll bearbeiten lassen.

Integrierte Prüfung
(Abschlussprüfung Technischer Zeichner/Technische Zeichnerin-FachrichtungHolztechnik)
Max. 13 Stunden
(Prüfungsaufgaben)

Max. 1 Stunde
(WiSo)

Prüfungsaufgabe 1
Anfertigung technischer Unterlagen/ Fragen zur Fachspezifischen Information/Kommunikation, Produtionstechnologie, Fertigungs- und Montagetechnik.
(Max. 7 Stunden, 50% der Gesamtwertung)

Prüfungsaufgabe 2
Anfertigung von Unterlagen/Fragen zur Fachspezifischen Information/Kommunikation, Produtionstechnologie, Fertigungs- und Montagetechnik
(Max. 3 Stunden, 25% der Gesamtwertung)

Prüfungsaufgabe 3
Anfertigung einer Teilschnittzeichnung oder einer Angebotszeichnung mit Grundriss und Wandabwicklungoder einer Perspektive
(Max. 3 Stunden, 20% der Gesamtwertung)

Wirtschaft und Sozialkunde
Schriftlich, fachbezogene Fälle aus dem Gebiet allg. wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt
(Max. 1 Stunde, 5% der Gesamtwertung)

Gedehnte Prüfung

1. Bestimmung „gedehnte Prüfung“

Die gedehnte Prüfung ist eine der neu gestalteten beruflichen Prüfungen und wurde für den Ausbildungsberuf Industriekaufmann/ Industriekauffrau umgesetzt. Die gedehnte Prüfung unterscheidet sich im Wesentlichen von anderen neuen Prüfungsformen (z.B. von der gestreckten Prüfung) darin, dass die Zwischenprüfung in ihrer bisherigen Form beibehalten wird. Die Zwischenprüfung behält damit vor allem die Funktion einer pädagogischen Rückmeldung für den Auszubildenden über seinen Leistungsstand. Sie trägt somit – entgegen ursprünglicher Absichten bei der Erarbeitung des neuen Prüfungskonzeptes für Industriekaufleute – nicht zum Ergebnis der Abschlussprüfung bei.

Die Abschlussprüfung hingegen wurde grundsätzlich umgestaltet. Sie ist zeitlich entzerrt (gedehnt). Der schriftliche Teil der Prüfung wird zu Beginn des letzten Ausbildungshalbjahres durchgeführt, der praktische Teil hingegen am Ende des letzten Ausbildungshalbjahres.

Inhalt des praktischen Teils ist eine Präsentation und ein Fachgespräch über eine Fachaufgabe, die der Prüfling selbstständig in seinem Einsatzgebiet durchgeführt hat. Damit wird die Prüfung wesentlich stärker mit der Unternehmenspraxis verzahnt.

2. Hintergrund der gedehnten Prüfung

Von ausgebildeten Industriekaufleuten wird heute nicht mehr erwartet lediglich eingegrenzte Aufgaben abzuwickeln, sondern kundengerechte Problemlösungen zu entwerfen. Dazu müssen sie in der Lage sein, Teilprozesse zu verbinden, zu überblicken und Geschäftsprozesse zu gestalten. In diesem Zusammenhang werden die arbeitsfeldübergreifenden Qualifikationen (Schlüsselqualifikationen) immer wichtiger und sollen daher während der gesamten Ausbildung vermittelt werden. Diese Anforderungen wurden in der Neuordnung der Industriekaufleute berücksichtigt, die am 01. August 2002 in Kraft trat. Mit ihr veränderte sich sowohl die Struktur, als auch die Prüfung der Ausbildung.

In der Struktur der Ausbildung werden die neuen Anforderungen vor allem durch die Einführung des so genannten Einsatzgebietes aufgegriffen. Im letzten Ausbildungsjahr arbeitet der Auszubildenden schwerpunktmäßig in einem Einsatzgebiet, das von den ausbildenden Unternehmen bestimmt wird. Hier soll er bereits Fachaufgaben übernehmen, seine bisher erworbenen Qualifikationen vertiefen und somit selbstständig Teilprozesse verbinden.

3. Aufbau der „gedehnten“ Prüfungen

1. Praktische Teil der Abschlussprüfung (Juni bzw. Januar)
    
Präsentation und Fachgespräch über eine Fachaufgabe, (die der Auszubildende
    in dem schwerpunktbildenden Einsatzgebiet selbstständig durchgeführt hat).
    zählt 30%, 30 Minuten (10-15 Min. für Präsentation)

2. Schriftliche Teil der Abschlussprüfung
    
Schriftliche Prüfung in 3 Teilen:
    Geschäftsprozesse: Situationsaufgaben und Fallbeispiele Kaufmännische
    Steuerung und Kontrolle: 4 praxisbezogene Aufgaben Wirtschafts- und
    Sozialkunde: praxisbezogene Aufgaben.
    zählt 70% (40+20+10), 330 Minuten (180+90+60)

3. Zwischenprüfung
    
Praxisbezogene Aufgaben und Fälle in den Prüfungsbereichen: Beschaffung
    und Bevorratung Produkte und Dienstleistungen Kosten- und
    Leistungsrechnung.
    90 Minuten

4. Ablauf der „gedehnten“ Prüfung

Abschlussprüfung

Die Abschlussprüfung besteht insgesamt aus vier Prüfungsbereichen. Von diesen werden

• Geschäftsprozesse,
• Kaufmännische Steuerung und Kontrolle, und
• Wirtschafts- und Sozialkunde schriftlich abgeprüft. Die Prüfung im Bereich
• Einsatzgebiet hingegen praktisch (und mündlich).

 Schriftliche Abschlussprüfung

Die schriftliche Abschlussprüfung trägt zu 70% zur Abschlussnote bei und findet zu Beginn des letzten Ausbildungshalbjahres statt.

Im Prüfungsbereich Geschäftsprozesse soll der Prüfling auf Prozesse und komplexe Sachverhalte gerichtete Situationsaufgaben oder Fallbeispiele bearbeiten. Dabei soll er zeigen, dass er Geschäftsprozesse analysieren sowie Problemlösungen ergebnis- und kundenorientiert entwickeln kann. Insbesondere kommen folgende Gebiete in Betracht:

• Marketing und Absatz
• Beschaffung und Bevorratung
• Personal
• Leistungserstellung

Im Prüfungsbereich Kaufmännische Steuerung und Kontrolle soll der Prüfling bis zu vier praxisbezogene Aufgaben aus dem Bereich Leistungsabrechnung unter Berücksichtigung des Controlling bearbeiten. Dabei soll er zeigen, dass er Kosten erfassen, die betrieblichen Geld- und Wertströme analysieren, sowie betriebswirtschaftliche Schlussfolgerungen daraus ziehen kann.

Im Prüfungsbereich Wirtschafts- und Sozialkunde soll der Prüfling praxisbezogene Aufgaben bearbeiten und zeigen, dass er allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt darstellen und beurteilen kann.

Die drei Prüfungsbereiche der schriftlichen Prüfung sind unterschiedlich gewichtet: Geschäftsprozesse tragen zu 40%, Kaufmännische Steuerung und Kontrolle zu 20% und Wirtschafts- und Sozialkunde zu 10% zum Gesamtergebnis bei.

Praktische Abschlussprüfung

Die praktische Abschlussprüfung (Prüfungsbereich Einsatzgebiet) trägt zu 30% zur Abschlussnote bei und wird am Ende des letzten Ausbildungshalbjahres abgelegt. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Auszubildende in dem vom Betrieb festgelegten Einsatzgebiet, welches besondere Berücksichtigung in der praktischen Prüfung findet.

Kern des Prüfungsbereichs Einsatzgebiet ist die Bearbeitung einer komplexen Fachaufgabe im Unternehmen selbst. Dazu muss der Prüfling dem Prüfungsausschuss eine Fachaufgabe im Einsatzgebiet vorlegen. Erst nach der Genehmigung durch den Prüfungsausschuss darf der Prüfling diese selbstständig im Unternehmen durchführen. Über die Bearbeitung der Fachaufgabe erstellt der Prüfling einen Report (u.U. zzgl. Anlagen mit betriebsüblichen Unterlagen) als Basis für eine Präsentation und ein Fachgespräch vor dem Prüfungsausschuss. Der Report wird nicht bewertet und dient lediglich zur Information des Prüfungsausschusses. Der Report wird dem Ausschuss vor dem praktischen Prüfungstermin zur Verfügung gestellt. In der Präsentation soll der Prüfling zeigen, dass er Sachverhalte, Abläufe und Ergebnisse der bearbeitenden Fachaufgabe erläutern und mit praxisüblichen Mitteln darstellen kann.

In dem Fachgespräch soll der Prüfling zeigen, dass er die dargestellte Fachaufgabe in Gesamtzusammenhänge einordnen, Hintergründe erläutern und Ergebnisse bewerten kann. Dabei soll der insbesondere verdeutlichen, dass er die Sachbearbeitung in einem speziellen Geschäftsfeld beherrscht.

Zusammen dürfen die Präsentation und das Fachgespräch 30 Minuten nicht überschreiten, wobei die Präsentation zwischen 10-15 Minuten lang sein sollte.

4. Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Regelungen zur gedehnten Prüfung wurden zunächst probeweise für Ausbildungsverhältnisse eingeführt, die zwischen dem 01. August 2002 und dem 31. Juli 2007 beginnen.


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK