Das Lernfeldkonzept

(Lernfeld/Lernsituationen/Handlungsfeld/Zeitrahmen)

1. Bestimmung

Die Qualität der betrieblichen Ausbildung im dualen System hängt nicht zuletzt von dem Zusammenwirken von Berufsschule und Betrieb ab. Dabei geht es vor allem darum, dass das in der Berufsschule gelernte Wissen in Beziehung zum betrieblichen Tätigkeitsein steht. Um hier Verbesserungen zu erreichen, wurde das sogenannte Lernfeldkonzept entwickelt. Das Lernfeldkonzept orientiert sich an betrieblichen Handlungsabläufen und berücksichtigt die Ganzheitlichkeit des Lernprozesses. Seit 1996 sind die Rahmenlehrpläne der Kultusministerkonferenz nach diesem Konzept strukturiert.

Ein Lernfeld stellt eine zusammenhängende thematische Unterrichtseinheit dar, der ein berufliches Handlungsfeld korrespondiert, das zeitgleich bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens im betrieblichen Teil der Ausbildung bearbeitet wird. Dementsprechend sind schulisches Lernfeld, berufliches Handlungsfeld und der hierzu zur Verfügung gestellte Zeitrahmen eng aufeinander bezogen.

BERUFLICHES HANDLUNGSFELD
(Das Herstellen von Werkstücken)

SCHULISCHES LERNFELD I
(Das Fertigen von Bauteilen mit handgeführten Werkzeugen)

SCHULISCHES LERNFELD II
(Das Fertigen von Bauelementen mit Maschinen)

BETRIEBLICHER ZEITRAHMEN
6–8 Monate (Das Fertigen von Bauelementen und Fügen zu Baugruppen)

Bei den Handlungsfeldern handelt es sich um zusammenhängende Aufgabenkomplexe mit beruflichen, aber auch lebens- und gesellschaftsrelevanten Handlungssituationen, zu deren Beherrschung berufliche Lernprozesse qualifizieren sollen. Dazu werden die beruflichen Handlungsabläufe didaktisch reflektiert und dementsprechende Lernfelder gebildet. Die Lerninhalte des schulischen Teils der beruflichen Ausbildung unterstehen damit nicht mehr der traditionellen Fachsystematik, sondern werden vom betriebliche Arbeitsprozess, der vom Auszubildenden durchlaufen wird, vorstrukturiert. Der Berufsschulunterricht orientiert sich damit stärker an der Erfahrungswelt der Auszubildenden und wird für diese interessanter und berufsrelevanter.

2. Die Gestaltung von Lernfeldern

Die Lernfelder stellen keine 1:1 Übertragung der betrieblichen Handlungsfelder dar, sondern bereiten diese didaktisch auf und erweitern sie gegebenenfalls um Handlungsaspekte, die über die Entwicklung von Fachkompetenz hinaus auch die Entwicklung von sozialen Kompetenzen fördern. Bei der Konstruktion von Lernfeldern ist dabei zunächst zu klären, welche Handlungsfelder für einen Beruf charakteristisch sind und welche Funktion das Handlungsfeld im gesamten Arbeitsprozess erfüllt. Weiterhin gilt es zu ermitteln, welche Kompetenzen und Qualifikationen die Tätigkeiten in diesem Handlungsfeld erfordern. Die Gestaltung eines Lernfeldes hat darüber hinaus die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung sowie die exemplarische Bedeutung des Handlungsfeldes zu berücksichtigen. Daneben spielt auch der strukturelle Bezug der Lernfelder untereinander bei der Konstruktion des Lernfeldes eine Rolle.

Die Lernfelder werden durch sogenannte Lernsituationen konkretisiert, die z.B. typische Tätigkeiten der betrieblichen Handlungsfelder beschreiben. Da es sich bei den Lernsituationen um konkrete Unterrichtseinheiten handelt, sind bei ihrer Gestaltung neben der Orientierung an der betrieblichen Praxis auch didaktische und organisatorische Aspekte zu beachten. So kommt bei der Bildung von Lernsituationen vor allem der Zugänglichkeit und Darstellbarkeit der Thematik unter Berücksichtigung der schulischen Rahmenbedingungen (vorhandene Fachräume, einsetzbare Medien) eine wichtige Bedeutung zu. Auch sollten die jeweiligen anthropologisch-psychologischen und die sozio-kulturellen Gegebenheiten in ausreichendem Maße in die Konzeption der Lernsituationen einfließen.

LERNFELD

HANDLUNSFELD

1,GEGENWARTSBEDEUTUNG
- (Spiegeln die Lernfelder die aktuelle Ausbildungssituation wider?)

2. ZUGÄNGLICHKEIT/DARSTELLBARKEIT
- (Welche Unterrichtshilfsmittel stehen zur Verfügung?)

3. ZUKUNFTSBEDEUTUNG

- (Werden durch die Lernfelder erkennbare Innovationen berücksichtigt?)

4. EXEMPLARISCHE BEDEUTUNG
- (Lässt sich in der Bearbeitung der Lernfelder eine Übertragbarkeit für
    weitere Lernfelder entwickeln?)

5. THEMATISCHE STRUKTUR
- (Sind die Lernfelder in einer sinnvollen Reihenfolge angeordnet?) 

 LERNSITUATIONEN

1. ZUGÄNGLICHKEIT/DARSTELLBARKEIT
- (Welche Unterrichtshilfsmittel stehen zur Verfügung?)

2. LEHR-LERN-PROZESSSTRUKTUR
- (Stellen die einzelnen Lernsituationen vollständigeHandlungen dar?)

3. ANTHROPOLOGISCH-PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE
- (Können individuelle Lernvoraussetzungen berücksichtigt werden?)

4. SOZIO-KULTURELLE ASPEKTE
- (Können regionalspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden?)

3. Chancen und Grenzen des Lernfeldkonzepts

Die Umsetzung des Lernfeldkonzepts in der Berufsschule wird durchaus kontrovers diskutiert. So wären damit weitreichende Konsequenzen verbunden, die von einer Auflösung der traditionellen Unterrichtsfächer bis hin zu einer Neubestimmung des Fachlehrerprinzips reichen. Der einzelne Lehrer ist dann nicht mehr Experte für ein bestimmtes Fach, sondern deckt bestimmte Lernfelder in Kooperation mit anderen Lehrern ab. Auch hätte die durchgängige Einführung des Lernfeldkonzepts zur Folge, dass sich die Lehrer in den verschiedenen Lernfeldern und Lernsituationen stärker als bisher untereinander abstimmen müssen. Der Erfolg des Lernfeldkonzepts hängt auch in einem hohen Maße vom Zusammenwirken von Schule und Betrieb ab. Dementsprechend verlangt seine Umsetzung auch nach einer Weiterentwicklung der Lernortkooperation. Das Lernfeldkonzept muss im Sinne einer ganzheitlichen Schul- und Lernorganisation gestaltet sein, um eine wirkliche Verbesserung des schulischen Praxisbezugs zu gewährleisten. Dazu müssen dann aber auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Als problematisch zeigt sich in diesem Sinne auch der Versuch, das Lernfeldkonzept in herkömmliche noch nach Fächern aufgebauten Lehrpläne zu integrieren.

Dennoch bietet das Lernfeldkonzept, da es den Anforderungen der modernen Berufswelt mehr gerecht wird als die traditionelle Fachsystematik auch Chancen und stellt einen konsequenten Perspektivwechsel dar: Statt vorrangig lediglich die Anwendung von Wissen zu vermitteln, stellt das Lernfeldkonzept den Erwerb von Kompetenzen durch Handeln in den Vordergrund. Dabei bezieht das Lernen in Lernfeldern auch zusätzliche Kompetenzen, wie Methoden- und Sozialkompetenz in den Lernprozess mit ein, deren Bedeutung ebenfalls im betrieblichen Kontext zunimmt. Schließlich lässt sich mittels der Lernfeldkonzeption auch der prozessuale Charakter des betrieblichen Tätigseins besser abbilden.

Vorteile des Lernfeldkonzepts

1. Erleichterung der Integration von neuen Inhalten
2. Freiräume an den Schulen aufgrund gestaltungsoffener Strukturen
3. Stärkerer Einbezug von Sozial- und Methoden-Kompetenz
4. Erwerb von Kompetenzen durch konkretes Handeln
5. Entspricht der Intention der neugeordneten Berufe (Prozessqualifikation)
6. Bereitet auf die zukünftige dynamische Berufswelt vor
7. Sicherung einer langfristigen Aktualität des Lehrplans 


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK