Leittextmethode 

 

Die Grundintention der Leittextmethode besteht zum einen darin, Auszubildende so anzuleiten, dass sie möglichst selbständig lernen können und zum anderen, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu überwinden. Leittexte sind spezifische schriftliche Unterweisungsunterlagen, die das Selbstlernen unterstützen und strukturieren. Leittexte bestehen aus Leitfragen (Was soll getan werden?) Arbeitsplanunterlagen (Wie geht man vor?) Kontrollbögen (Ist der Auftrag fachgerecht ausgeführt?) und Leitsätzen, in denen arbeitsbezogene Kenntnisse zusammengefasst sind. Leittexte sind an Modellen vollständiger Handlung orientiert und geben die einzelnen Schritte des Handlungsablaufs vor. Dabei sind Ablauf und Struktur des Vorgehens festgelegt. Der Auszubildende hat einen wesentlich engeren Entscheidungsspielraum als z.B. bei der Projektmethode, da er nach festgelegten Leittexten plant und handelt. Der Ausbilder begleitet den Prozess, indem er einerseits zur Beratung zur Verfügung steht, andererseits in festgelegten Intervallen den Planungs- und Fertigungsablauf kontrolliert und das Zwischenergebnis zur Weiterarbeit freigibt. Das Arbeits- und Lernergebnis wird durch den Ausbilder bewertet und in einem abschließenden Fachgespräch besprochen, in welchem dem Auszubildenden seine Stärken, aber auch seine Qualifikationsdefizite deutlich gemacht werden.

Die Leittextmethode ist besonders geeignet, um komplexe Arbeitstätigkeiten zu vermitteln. Für bewegungsorientierte Tätigkeiten und solche, die über Vorführen und Nachmachen erlernbar sind, bietet sich eher die Vier-Stufen-Methode an.

Die Leittextmethode wird zur Anleitung von selbstgesteuerten Lernprozessen eingesetzt. Der Lernende wird systematisch zum Durchdenken einer Arbeitstätigkeit angeleitet. Er soll sich aneignen, bei der selbständigen Bewältigung einer Arbeitstätigkeit in sechs Phasen vorzugehen. Das Durchlaufen der einzelnen Phasen wird mit bestimmten Hilfen sichergestellt. Die sechs Phasen beschreiben eine vollständige Handlung, bestehend aus Wahrnehmen, Denken, Tun und Rückkopplung.

1. Ablauf der Leittextmethode

Phasen:

1. Information "Was soll getan werden?"

        -> Methodische Hilfen: Leitfragen, Leitsätze

2. Planung "Wie geht man vor?"

        -> Methodische Hilfen: Leitfragen, Arbeitsplan

3. Entscheidung "Festlegen von Fertigungsweg und Betriebsmittel"

        -> Methodische Hilfen: Fachgespräch mit dem Ausbilder

4. Ausführung "Erstellen eines Fertigungsprodukts oder Entwicklung einer
                        Dienstleistung"

        -> Methodische Hilfen: Rat des Ausbilders bei Bedarf

5. Kontrolle "Ist der Auftrag fachgerecht gefertigt?"

        -> Methodische Hilfen: Kontrollbogen

6. Bewertung "Was muss beim nächsten Mal besser gemacht werden?"

        -> Methodische Hilfen: Fachgespräch mit dem Ausbilder

Zu 1. Informieren

Hier verschaffen sich die Lernenden im Team zu zweit, zu dritt oder zu viert ein klares Bild von der zu lösenden Arbeitsaufgabe. Schriftliche Leitfragen helfen dabei. Leitsätze bieten eine kurze Zusammenfassung arbeitsbezogener Kenntnisse. Die Lernenden können auf diese Leitsätze zurückgreifen, soweit sie glauben, dass eine Aneignung, Auffrischung oder Vertiefung dieser Kenntnisse notwendig ist. 

Zu 2. Planung 

In dieser Phase geht es darum, dass die Lernenden den Arbeitsablauf gedanklich vorweg nehmen. In einem Arbeitsplan werden die Arbeitsschritte sowie die notwendigen Hilfsmittel und Werkzeuge schriftlich festgelegt. Dazu können betriebseigene Formblätter herangezogen werden. Leitfragen zur Arbeitsplanung stellen z.B. sicher, dass am Ausgangswerkstück die Reihenfolge der Veränderungen festgelegt oder Abfolgen und Abhängigkeiten von Bearbeitungsschritten erkannt werden. Zugleich entwerfen die Lernenden Auswertungskriterien für den Kontrollbogen, mit dem nach der Arbeitsausführung bestimmt wird, ob der Auftrag fachgerecht ausgeführt worden ist. In den Phasen Information und Planung sollte den Lernenden eine Lernumgebung zur Verfügung stehen, die über die Leitfragen und Leitsätze hinausgeht. Dies wäre Fachliteratur, Anschauungsmaterial sowie PCs.

Der Idealform der Leittextmethode nach arbeiten die Lernenden in den Phasen der Information und Planung selbständig im Team, während der Ausbilder erst in der anschließenden Phase der Entscheidung verstärkt auftritt.

Zu 3. Entscheidung 

Die Lernenden führen mit dem Unterweiser ein Fachgespräch. Sie stellen ihren Arbeitsplan und den Kontrollbogen vor. Gegebenenfalls vorhandene Fehler werden analysiert. Wissenslücken lassen sich gezielt in Kleingruppenunterricht beheben. Der Unterweiser muss sich beim Fachgespräch in den Arbeitsplan der Lernenden hinein denken und bereit sein, auch ungewöhnliche Vorgehensweisen zu akzeptieren. Nach dem Fachgespräch folgt die Freigabe der Arbeitsplanung zur Arbeitsausführung.

Zu 4. Ausführung

Die intensive Arbeitsvorbereitung stellt sicher, dass das anschließende Vorgehen bei der Arbeitsdurchführung durchdacht ist. Dadurch wird es den Lernenden in der Regel ermöglicht, die Arbeit selbständig auszuführen. Der Unterweiser steht für Hilfestellung zur Verfügung. Nachdem in ersten drei Phasen in Gruppen gearbeitet wurde, ist der Lernende in der Phase der Ausführung auf sich allein gestellt. Dies zwingt ihn in den Phasen der Information, Planung und Entscheidung bewusst an der Lernarbeit teilzunehmen, da er in der Ausführungsphase kaum durch ein arbeitsgemeinschaftliches Netz gestützt wird. Die Phasen Kontrolle und Bewertung können in Gruppen oder individuell erfolgen.

Zu 5. Kontrolle 

In dieser Phase überprüft der Lernende selbständig, ob der Arbeitsauftrag fachgerecht ausgeführt worden ist. Dazu zieht er den zuvor selbst erstellten Kontrollbogen heran. Gegebene Abweichungen vom Soll-Zustand werden von ihm selbst analysiert und etwaige Fehler auf ihre Ursachen hin untersucht. Der Lernende erwirbt durch die Selbstauswertung die Fähigkeit, die eigene Arbeitsleistung zu beurteilen. Arbeitsausführung und Qualitätssicherung sollen in der späteren Berufstätigkeit zu einem Arbeitsgang zusammengeführt werden.

Zu 6. Bewertung

Der Lernende stellt sein Arbeitsergebnis zusammen mit dem Kontrollbogen dem Ausbilder vor. Dieser nimmt eine Fremdkontrolle vor. In dem Fachgespräch mit dem Unterweiser kommt es besonders darauf an, die gemachten Fehler und ihre Ursachen zu besprechen. Der Lernende erfährt eine Rückmeldung. Dadurch lässt sich bestimmen, was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann. Um die nächsten Lernschritte zu planen wird gemeinsam überlegt, was zu wiederholen, vertiefen bzw. weiterzuführen ist.

2. Beurteilung der Leittextmethode in der betrieblichen Bildung

• Die Leittextmethode fördert den Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten unter Einbezug von selbständigem Planen, Durchführen und Kontrollieren.
• Der Ausbilder übernimmt die Rolle eines Beraters. Er moderiert den Lernvorgang.
• Die Leittextmethode ist geeignet komplexe Arbeitstätigkeiten zu unterweisen.
• Mit der Leittextmethode werden neben fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auch Schlüsselqualifikationen vermittelt. Besonders kognitive, personale und soziale Fähigkeiten werden gefördert.
• Das selbstgesteuerte individuelle Lernen ermöglicht dem Unterweiser sich besonders mit lernschwächeren Auszubildenden zu befassen.
• Das vertextete Lernen mit der Leittextmethode bereitet jedoch leseschwachen und lernungewohnten Lernenden zusätzliche Schwierigkeiten.
• Die Gefahr besteht, dass die Leittexte eine Art „papierner Ausbilder“ werden, der die Lernenden stark gängelt und sie gerade nicht zum selbständigen Lernen führt.
• Das ist besonders dann der Fall, wenn man bei der Entwicklung des Leittextes der damit immer verbundenen Verlockung der Übersteuerung erliegt.

 

 


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK