Juniorfirma

1. Merkmale und Ziele der Juniorfirma 

Die Juniorfirma ist eine auf Dauer angelegte „Lernfirma“ für Schüler und Auszubildendeim Schoß einer Mutterfirma, bei der gesondert vom sonstigen Geschäftsbetrieb reale Geschäfte abgewickelt werden, aber zugleich der Lernzweck im Vordergrund steht. Die Lernenden arbeiten also selbständig und eigenverantwortlich in der Leitung eines realen Geschäftsbetriebs. Im Unterschied zu einem fiktiven Planspiel oder einer Übungsfirma nimmt die Juniorfirma in der Regel aktiv am Wirtschaftsleben teil. In diesem Sinne werden marktfähige Produkte und Dienstleistungen hergestellt bzw. angeboten. Ziel einer Juniorfirma ist es, dass die Schüler bzw. Auszubildenden praxisnah und abwechslungsreich in allen Bereichen eines Unternehmens arbeiten und lernen können. So werden die Schüler bzw. Auszubildenden mit allen Unternehmensbereichen wie Einkauf, Produktion, Marketing, Verkauf, Vertrieb, Personalwesen, Lagerhaltung usw. vertraut.

Die Juniorfirma ist eine „Learning by Doing“ Methode, die unter anderem fachliche Qualifikationen und Kompetenzen, Kreativität, Eigenverantwortlichkeit, Teamgeist und die soziale Kompetenz der Auszubildenden bzw. Schüler fördert. So müssen die Schüler und Auszubildenden u.a. eine Geschäftsidee entwickeln, sich für eine Organisationsform des Unternehmens entscheiden, Stammkapital einbringen, Dienstleistungen anbieten oder Produkte herstellen, Kosten berechnen und Preise kalkulieren, sowie Geschäftskontakte aufbauen und gestalten. Durch das selbständige Führen der Juniorfirma wird insbesondere das Verantwortungsbewusstsein der Schüler bzw. Auszubildenden gestärkt.

Zentral für das Konzept der Juniorfirma ist das selbstgesteuerte Lernen. Dabei vereinigt die Juniorfirma drei verschiedene Zielebenen. Zum einen geht es um die Vermittlung von didaktischen Zielen, wie die Fach- und Methodenkompetenz sowie die personale und Sozialkompetenz. Zur Fachkompetenz zählen dabei vor allem die Anwendung von kaufmännischem Wissen, die Fähigkeit zu einer individuellen Kundenorientierung, Organisationskompetenz und die Befähigung zu einem unternehmerischen Handeln. Die Methodenkompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte selbständig zu bearbeiten (Planung, Entscheidung, Durchführung, Kontrolle, Evaluation), Problemlösungsstrategien zu entwickeln sowie eine Organisation zu führen und zu präsentieren. Zu den personalen Kompetenzen gehören vor allem die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, Lern- und Leistungsbereitschaft zu aktivieren und sich selbständig motivieren zu können. Die Sozialkompetenz beinhaltet die Fähigkeit zur Kooperation und Teamarbeit sowie die Kommunikationskompetenz.

Neben den didaktischen Zielen stellen die ökonomischen Ziele bei der Juniorfirma eine relevante Größe dar, wobei es darum geht, Gewinne zu erwirtschaften und sich eine stabile Marktposition zu verschaffen.Die dritte Zielebene, die über die Juniorfirma vermittelt werden soll, ist schließlich die Innovation. Die innovativen Ziele betonen die Veränderungen und Fluktuationen, die mit dem unternehmerischen Handeln verbunden sind. Hierbei handelt es sich zum einen um die internen Innovationsziele, die sich auf die eigene Organisation, die Umstrukturierung von einzelnen Abteilungen und die sich aufgrund der jeweiligen Ausbildungszyklen ständig wechselnden Belegschaften beziehen. Zum anderen geht es um die externen Innovationsziele, wie die Anpassung an den sich permanent verändernden Markt und die Weiterentwicklung der Geschäftsidee des Unternehmens sowie ihrer Umsetzung.

2. Abgrenzung gegen verwandte Lernformen: Übungsfirma und Lernbüro

Neben der Bezeichnung Juniorfirma werden auch die Begriffe Übungsfirma und Lernbüro benutzt. Verwenden manche Autoren die Begriffe gleichbedeutend, so differenzieren andere zwischen diesen Lernformen und definieren die Übungsfirma und das Lernbüro als dynamische Simulationsmodelle, die im Unterschied zur Juniorfirma, die Güter- und Geldströme lediglich nachahmen und dementsprechend nicht auf dem real existierenden Markt agieren. In diesem Sinne spielen ökonomische Ziele für die Übungsfirma und das Lernbüro keine unmittelbare Rolle. Zur Simulationskonzeption der Übungsfirma und des Lernbüros gehören die Reduktion und Akzentuierung. So werden Prozesse, die für den Geschäftsablauf weniger relevant sind ausgeklammert und dementsprechend besonders wichtige Entwicklungsgänge hervorgehoben. Durch diese Reduktion von Komplexität wird eine größere Transparenz für die Schüler bzw. Auszubildenden hergestellt.

Die beiden Begriffe Lernbüro und Übungsfirma werden häufig synonym verwendet, teilweise wird auch das Lernbüro als Oberbegriff benutzt. Manche Autoren sehen einen Unterschied zwischen dem Lernbüro und der Übungsfirma darin, dass das Lernbüro sich eher in der schulischen Ausbildung findet, wohingegen die Übungsfirma stärker auf den betrieblichen Kontext rekurriert. Insbesondere kommt bei der Übungsfirma der Simulation der Marktbeziehungen eine größere Bedeutung zu.

3. Voraussetzungen und Vorteile der Juniorfirma 

Eine Juniorfirma kann nur dann erfolgreich funktionieren, wenn das Unternehmen grundsätzlich bereit ist, sich auf innovative Lernmodelle einzulassen, denn die Juniorfirma bedarf einer weitreichenden betrieblichen Unterstützung durch die Personal- und Geschäftsleitung. Auch sollte die Ausbildungsorganisation ein gewisses Maß an Flexibilität aufweisen, da die Juniorfirma zu einem großen Teil auf dem eigenverantwortlichem Handeln der Auszubildenden beruht. Die Juniorfirma benötigt darüber hinaus eine hohe Kompetenz und großen Einsatzwillen seitens des Ausbildungspersonals, dem eine hohe Lernbereitschaft und –fähigkeit bei den Auszubildenden korrespondieren muss. Häufig dürfen nur Auszubildende im 3. Lehrjahr in die Juniorfirma, und manchmal ist das sogar eine Belohnung für die besonders leistungsstarken.

Im Sinne einer fachübergreifenden Ausbildung sollten die kaufmännischen und technischen Lehrlinge gleichermaßen an der Produktfindung und –gestaltung sowie an der Arbeitsplanung beteiligt werden. Durch eine starke Orientierung an dem Ausbildungsbetrieb sollten finanzielle Risiken reduziert werden. Langfristig sollen manche Juniorfirmen einen Beitrag zur Senkung der Ausbildungskosten leisten.

Die Juniorfirma bietet eine Reihe von Vorteilen, die sie vor anderen Lernmodellen auszeichnet. So ermöglicht sie eine Erhöhung der Lernmotivation aufgrund der Tätigkeitsvielfalt, die sich dem Auszubildenden eröffnet. Insofern der Auszubildende alle Abteilungen einer Firma kennen lernt, kann er sich auch das betriebswirtschaftliche und technische Know how zusammenhängend aneignen. Die betrieblichen Abläufe werden transparent und ihr Aufeinanderbezogensein wird erkennbar.

Außerdem erwirbt sich der Auszubildende dadurch Kenntnisse, die über das fachbezogene Wissen seiner Ausbildung hinausweisen.

In diesem Sinne stellt die Juniorfirma ein Ansatz zu einer fachübergreifenden Berufsausbildung dar und vermittelt überfachliche Kompetenzen. Das in der Juniorfirma erworbene Wissen hat einen hohen Praxisbezug und verbessert dementsprechend die beruflichen Handlungsoptionen der Auszubildenden. Ein weiterer Vorteil der Juniorfirma besteht in der Möglichkeit für den Auszubildenden, Schlüsselqualifikationen und soziale Kompetenzen zu erwerben. Insbesondere insofern die Auszubildenden in der Juniorfirma auch leitende Funktionen übernehmen, fördert dieses Lernmodell ihre Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft. Nicht zuletzt bietet die Juniorfirma langfristig eine Chance zur Reduzierung der Ausbildungskosten.

Die Einführung einer Juniorfirma ist jedoch mit erhöhten Kosten verbunden. So müssen Unternehmensräume und eine technische Ausstattung bereitgestellt werden. Eigene Erträge können erst nach einer Anlaufzeit erfolgen. Auch bedarf die Einführung einer Juniorfirma einer längeren Vorbereitungszeit, in der die entsprechenden strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Juniorfirma benötigt außerdem vor allem in ihrer Anfangsphase eine intensive Betreuung und Unterstützung. Darüber hinaus besteht die Gefahr, insofern die Auszubildenden über einen sehr hohen Handlungsspielraum verfügen, dass es zu Über- und Fehlqualifikationen kommt. Allerdings dürfte dies sich nach Ablauf der Anfangsphase als weniger problematisch darstellen, da die neuen Auszubildenden dann bereits eine fertige Firma mit klaren Strukturen vorfinden und ihr Lernweg damit mehr oder weniger vorgezeichnet ist. Insgesamt lässt sich dementsprechend feststellen, dass die Vorteile der Juniorfirma erst mit der Zeit zum Tragen kommen.

 

 

 


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK