Handlungsorientiertes Lernen und Unterrichten

Insbesondere im Zusammenhang mit veränderten Anforderungen aus der Berufswelt wird von Bildungs- und Ausbildungsprozessen mehr und mehr gefordert, dass sie nicht nur Stoff vermitteln, sondern auch darüber hinaus fachübergreifende Fähigkeiten, so genannte Schlüsselqualifikationen, wie Selbständigkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Verantwortungsbereitschaft usw. Es hat sich nämlich gezeigt, dass im modernen Arbeitsleben nicht nur fachliches Wissen und Können gefragt sind, sondern vor allem Handlungskompetenzen benötigt werden, um komplexe Handlungssituationen zu bewältigen. Das Lernziel Handlungsfähigkeit kann jedoch nicht theoretisch vermittelt werden sondern nur praktisch in konkreten Handlungssituationen erworben werden. Handlungsorientierter Unterricht ist der Versuch, Handlung als Lernmedium zu integrieren. Dazu werden konkrete Handlungssituationen geschaffen, in denen handelnd gelernt und lernend gehandelt wird, indem die Lernenden vor praktische Aufgaben gestellt werden, die sie praktisch handelnd lösen müssen.

Die Grundidee des handlungsorientierten Lernens ist: Wenn sich Handlungskompetenzen nur in konkreten Handlungssituationen bilden, in denen sie verlangt werden, dann kommt es pädagogisch darauf an, die Lernenden in genau solche praktischen Handlungssituationen zu bringen bzw. für sie solche Handlungssituationen zu schaffen, in denen diejenigen Handlungskompetenzen gefordert sind, die später im Berufsleben gebraucht werden und deshalb jetzt das Lernziel sind.

1. Handlungsorientierung in den Ausbildungsordnungen 

Mit der Erweiterung des Qualifikationsbegriffs um die Fähigkeit des selbständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens wird gegen Ende der 80er Jahre die Handlungsorientierung als neues Leitbild für berufliches Lehren, Lernen und Prüfen definiert. Die Umsetzung dieses Ziels erfordert und bewirkt auf allen Gestaltungsebenen des dualen Systems einen nachhaltigen Perspektivenwechsel. Diese Entwicklung ist bis heute noch nicht abgeschlossen.

Ausbildungsziele 

Ein erster Schritt besteht darin, Ausbildungsziele nicht mehr kenntnis- sondern handlungsorientiert zu formulieren. Es wird also nicht mehr beschrieben, welche fachtheoretischen Inhalte Auszubildende kennen, erklären, erläutern oder lernen müssen (deklaratives Wissen). Lernziele im Ausbildungsrahmenplan sollen nunmehr Endverhalten beschreiben, Tätigkeiten, die Fachkräfte nach der Ausbildung ausüben können. Das theoretische (kognitive) Wissen wird nicht eigens ausgewiesen, sondern ist integraler Bestandteil des Handelns.

Lernfeldkonzept

Lernfeldkonzept als Vorgabe für die Rahmenlehrplangestaltung. Fachtheoretische Inhalte werden nicht mehr als deklaratives Wissen vermittelt, das die Lernenden erst in einen Praxis-Zusammenhang bringen müssen. Fachtheorien müssen künftig bereits bei der Vermittlung, d.h. durch didaktische Aufbereitung in einen Anwendungskontext gestellt werden. Der Unterricht wird nicht mehr in traditionellen Fächern organisiert, sondern in Form von Lernfeldern, die aus Handlungsfeldern abgeleitet werden.

Handlungsorientierte Prüfungen 

Die klassische Prüfungsstruktur der Abschlussprüfungen im dualen System sieht eine Fertigkeits- und eine Kenntnisprüfung vor, mit der vorwiegend berufsspezifische Fachqualifikationen und theoretische Kenntnisse, nicht aber ein am Arbeitsprozess orientiertes Denken und Handeln erfasst wird.

Erstmals durchbrochen wird diese Prüfungsstruktur mit der Einführung der „Integrierten Prüfung“ im Jahr 1994, einer praxisnahen, handlungsorientierten Prüfungsform, in deren Mittelpunkt die berufliche Handlungskompetenz steht. Zu den entscheidenden Merkmalen integrierter Prüfungen gehören, dass sie auf eine Trennung zwischen theoretischem und praktischem Prüfungsteil verzichten und die Prüfungsstruktur am Prinzip der Auftragserledigung am realen Arbeitsplatz orientieren. Dazu gehören komplexere und anspruchsvollere Prüfungsaufgaben, die sich an realen Arbeitssituationen orientieren, Entscheidungsspielräume eröffnen und ein breites Spektrum fachlicher, fachübergreifender, theoretischer und praktischer Anforderungen integrieren.

Mittlerweile gibt es für die Prüfungen im dualen System eine Reihe weiterer innovativer Prüfungsmethoden, die Elemente der integrierten Prüfung aufgegriffen, zum Teil sogar weiterentwickelt haben, wie zum Beispiel die „betriebliche Projektarbeit“.

Auch die Ausbilder werden vor eine neue Aufgabe gestellt, nämlich gemeinsam mit den Auszubildenden vollständige Handlungen (selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren) zu erarbeiten. Dafür ist es notwendig, neue handlungsorientierte Aufgabenstellungen zu entwickeln und einzusetzen.

2. Handlungsorientiert unterrichten 

Wenn man handlungsorientiert ausbilden oder unterrichten möchte, schafft man in Unterricht,Lehrgang, Seminar oder Lehrwerkstatt anstelle der traditionellen „Frontalsituation“ – der Lehrer weiß alles und belehrt, der Schüler weiß nichts und nimmt auf – aktivierende Handlungssituationen für die Lernenden, in denen diese tatsächlich etwas tun müssen. Man wählt diese Handlungssituationen genau so bzw. „komponiert“ sie so, dass sie möglichst gut und intensiv, also auch deutlich erlebbar diejenigen Kompetenzenfordern, die man gerade fördern möchte. Der handlungsorientierte Lehrer oder Ausbilder ist einer, der für seine Schüler oder Lehrlinge ständig Handlungssituationen schafft oder arrangiert, und zwar unter ganz bewussten pädagogischen Gesichtspunkten und Zielen. Er tut dies unter Umständen und in einem Umfeld – der institutionalisiertren Lernsituation, die speziell zum Lernen geschaffen wurde, in denen sonst solche Handlungssituationen nicht vorkommen. Er möchte den Lernenden damit Situationen bereiten und sie darin zum Handeln bringen, in denen sie mit genau dem konfrontiert sind, wovon er möchte, dass sie es lernen, wohl wissend, dass er selbst es sie nicht lehren kann. Er vermittelt ihnen Erfahrungen, in der Hoffnung, dass sie aus diesen Erfahrungen schließlich für sich die richtigen Schlüsse ziehen und ihr persönliches Verhalten entsprechend entwickeln bzw. verändern. Und zugleich vermittelt er ihnen dadurch eine heute ganz wesentliche Lernerfahrung, nämlich die, wie man erfahrungsgeleitet lernen und handeln kann.

Handlungsorientierter Unterricht ist der Versuch, im Rahmen von Lehrgängen und Kursen – also auch an gesonderten Lernorten außerhalb der Praxis - Handlung als Lernmedium zu integrieren. Dazu werden konkrete Handlungssituationen geschaffen, in denen handelnd gelernt und lernend gehandelt wird, in denen die Lernenden vor praktische Aufgaben gestellt werden, die sie praktisch handelnd lösen müssen. An die Stelle des Frontalunterrichts tritt die offene Handlungsaufgabe für einzelne oder Gruppen, die vom Lehrenden lediglich begleitet, nicht aber angeleitet oder gar demonstrativ gelöst wird.

Dafür, wie man das machen kann, wie sich also in „klassischen“ Lehrgängen oder Unterrichtsstunden in Schule und Berufsbildung Handlungssituationen schaffen lassen, in denen die Lernenden nicht mehr nur aufnehmen (und konsumieren), sondern selbständig aktiv Handlungsaufgaben lösen, haben sich in den letzten Jahren, aufbauend auf älteren Vorbildern z. T. aus der Reformpädagogik, eine Reihe von Formen herausgebildet. Beispiele dafür sind Gruppenarbeit, Rollenspiel, Fallstudie, Erkundungsauftrag, Projekt, Planspiel usw.

Handlungsorientierter Unterricht ist ein Konzept von Unterricht und noch keine Unterrichtsmethode. Im Mittelpunkt eines handlungsorientierten Unterrichts (z.B. in der Berufsschule) steht die Vermittlung von theoretischen Voraussetzungen für das Handeln-Können in der beruflichen Praxis. Die besonders zu betonende berufliche Theorie wird entlang der Lösung komplexer beruflicher Aufgaben erarbeitet. Ein Bewältigen konkreter beruflicher Aufgabenstellungen durch ihre Planung und Realisierung führt zu einem Lernen in vollständigen Handlungen. Infolgedessen wird durch einen solchen Unterricht in der Berufsschule auch berufliches Handeln selbst erlernt. Zugleich sollen aus den konkreten Handlungen rückschließende Fragen auf die Theorie führen. Wahrnehmen und Denken kann zwar im Unterricht auch anwendungsorientiert auf berufliche Aufgaben und Situationen außerhalb der Schule bezogen sein und Lerninhalte und Lernverlauf strukturieren. Das Wahrnehmen und Denken wird aber erst zur vollständigen Handlung, wenn beides im Tun umgesetzt wird. Das Tun wirkt rückkoppelnd auf das Wahrnehmen und Denken zurück, indem es beides verändert und erweitert. Über das Wahrnehmen und Denken wird so das Tun erklärt und gesteuert. Über das Tun verändern sich Wahrnehmen und Denken und entwickeln sich weiter. Die Trias „Wahrnehmen – Denken – Tun“ wird in einem handlungsorientierten Unterricht in vielfachen Zyklen, die ineinander verschachtelt sind, immer wieder durchlaufen.

3. Merkmale eines handlungsorientierten Unterrichts in der beruflichen Bildung

• Komplexe Aufgabenstellung
• Lernen in vollständigen Handlungen
• Integrierter Fachunterrichtsraum
• Innere Differenzierung
• Kooperatives und kommunikatives Lernen
• Selbststeuerung und Freiheitsgrade
• Beratende Lehrerrolle
• Integrative und offene Leistungsfeststellung

Berufsbildung soll zu beruflicher Handlungskompetenz führen, die sich in einem professionellen Handeln offenbart. Neben fachbezogenen Qualifikationen soll der Lernende auch überfachliche, so genannte Schlüsselqualifikationen erwerben. Dabei steht im Zentrum berufskompetenten Tuns ein sich selbstbestimmendes Individuum, das reflektiert, eigenverantwortlich und gemeinschaftsorientiert handelt und bereit ist, sich weiterzuentwickeln. Ein handlungsorientierter Unterricht will wie jede Form von Unterricht ein Behalten, Verstehen und aktives Anwenden von Wissen, von Fertigkeiten und Fähigkeiten gewährleisten.

Zwischen traditionellem und handlungsorientiertem Unterricht sind vielfältige und fließende Übergangsformen möglich. Trotzdem unterscheidet sich ein handlungsorientierter Unterricht erheblich von traditionellen Unterrichtsformen. Der inhaltliche und organisatorische Ablauf unterliegt gegenüber herkömmlichem Unterricht anderen Grundvoraussetzungen. Eine Vielzahl eigener Bestimmungsgrößen bedingen dieses Konzept von Unterricht. Inhaltlich gesehen erfordert ein handlungsorientierter Unterricht in der beruflichen Bildung ein Lernen an einer berufsbezogenen, komplexen und problemhaltigen Aufgabenstellung, an der die Schüler in praktischer Tätigkeit umfassende Theorieaspekte erarbeiten. Schülerspezifisch geht es darum, besonders die Interessen und Erfahrungen der Schüler zu berücksichtigen sowie Kooperation und Kommunikation zu betonen. Organisatorisch steht die Selbstorganisation des Lernprozesses durch die Lernenden im Vordergrund. Hierbei stehen ihnen Möglichkeiten zur Beeinflussung des Arbeitsprozesses offen. Lehrerspezifisch heißt dies u.a. zum Fachberater des Lernvorgangs der Schüler zu werden und sie an geeigneter Stelle zu unterstützen. Leistungskontrollen sollen in entsprechender, integrativer Formen stattfinden.

Komplexe Aufgabenstellung

Handlungsorientierter Unterricht richtet sich an vielschichtigen und viele verschiedene Aspekte umfassenden Aufgabenstellungen mit deutlichem Praxisbezug für die Schüler aus. Ein zentraler Lerngegenstand bündelt in einem Lerngebiet eine Reihe von Lernzielen aus einem Lernfeld oder den traditionellen Fächern wie z.B. Fachtheorie, Fachrechnen, Fachzeichnen und Praktische Fachkunde. Darüber hinaus können Lernziele aus der Datenverarbeitung oder den allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch und Sozialkunde hinzukommen. Die Aufgabenstellungen decken zeitlich langfristig ein Lerngebiet (z.B. Steuerungstechnik, Herstellen einer Natursteinmauer oder das Einrichten und Gestalten von Wohnbereichen) für eine oder mehrere Wochen im Blockunterricht oder mehrere Wochen im Einzeltagesunterricht ab. Für die Schüler werden damit abstrakte Lerninhalte, die im fachsystematisch organisierten Unterricht häufig willkürlich erscheinen, konkret und sachbezogen. Über die Grenzen traditioneller Unterrichtsfächer hinaus wird ein Denken in Zusammenhängen gefördert. Problemstellungen mit angemessenem Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad verorten Lerninhalte in typischen Berufssituationen der Lernenden. Ein entsprechender Komplexitätsgrad der Aufgaben, der jedoch nicht bis zur Überforderung gehen darf, rechtfertigt einen Planungsaufwand der Schüler. Der Erwerb von Wissen erfolgt über aktivhandelnde Problemlöseversuche in vollständigen Handlungen, bei denen auch übergreifende methodische Qualifikationen erlernt werden. Die Problemstellungen sollen die Erfahrungen und Interessen der Schüler berücksichtigen und dadurch ihre Identifikation mit der Aufgabenstellung unterstützen.

Lernen in vollständigen Handlungen

Handlungsorientierter Unterricht erfordert eine handlungssystematische Unterrichtsplanung, die sich an der Handlungslogik der zugrunde liegenden Aufgabe ausrichtet. Vorgesehene Lernziele und -inhalte müssen dabei entlang einer voraussichtlichen Bearbeitung der im Mittelpunkt stehenden Arbeitsaufgabe gruppiert und sinnvoll in den Bearbeitungsablauf integriert werden. Ein Erarbeiten theoretischer Lerninhalte erfolgt an einer theoriehaltigen Problemstellung auf die Erfordernisse der Praxis ausgerichtet. Im Gegensatz dazu ordnet ein fachsystematisch gegliederter Unterricht die Lerninhalte angelehnt an die fachwissenschaftliche Struktur an (häufig ähnlich dem Inhaltsverzeichnis von Fachbüchern).

Integrierter Fachunterrichtsraum 

Handlungsorientierter Unterricht fordert eine Lernumgebung, die ständig theoretische Überlegungen mit ihrer praktischen Umsetzung an experimentellen Einrichtungen, Maschinen, Geräten oder Gegenständen verbindet. Der integrierte Fachunterrichtsraum (IFU) bildet die vorbereitete Umgebung, die ein handlungsorientierter Unterricht zwingend erfordert. Für den gewerblich-technischen Bereich müssen fachbereichs-, berufsgruppen- und lerngebietspezifische Besonderheiten berücksichtigt und ein solcher Raum dementsprechend ausgestattet werden. Hierbei ist ein Optimum zwischen realitätsnaher Praxis- und störungsarmer Theoriearbeit unter Berücksichtigung der Klassengröße erstrebenswert. Material-, Geräteaufwand und Medienausstattung sollen sich generell an berufstypischen Realsituationen, Standardkomponenten und Herstellerunterlagen orientieren und über didaktisch reduzierte Modelle, Geräte und schriftliche Unterlagen hinausweisen. Bei vielen Lerngegenständen, wie z.B. CNC-Technik, Abgasprüfung am KFZ oder dem Mauern einer einschaligen Wand können größere Geräuschentwicklungen oder andere Emissionen durch Realmaschinen, laufende Motoren und Staubentwicklung auftreten. Diese erfordern Maßnahmen wie z.B. Glastrennwände oder getrennte Räumlichkeiten, die eine ruhige Arbeitsumgebung und somit ein Nebeneinander von Theorieerarbeitung und praktischer Durchführung erlauben.

Innere Differenzierung 

Die Lernenden können gemäß ihrer eigenen Lerngeschwindigkeit unabhängig vom Lehrer vorgehen. Leistungsstarke Schüler werden nicht unterfordert oder gebremst. Der Lehrer kann einzelne Schüler individuell fördern und sich besonders leistungsschwachen Schülern zuwenden. Jedem einzelnen Schüler sollte sowohl innerhalb seiner Gruppe als auch im Verhältnis zu anderen Gruppen ein individueller Lernprozess möglich sein. Hierfür müssen geeignete Aufgabenstellungen ein abgestuftes Schwierigkeits- und Abstraktionsniveau anbieten. Die individuellen Grundlagen der Schüler, wie unterschiedliches Vorwissen, verschiedene Lern- und Aufnahmefähigkeiten oder Motivations- und Interesseschwankungen, werden dabei berücksichtigt.

Kooperatives und kommunikatives Lernen

Der Klassenverband ist in einem handlungsorientierten Unterricht größtenteils aufgelöst. Die Schüler arbeiten vorwiegend in Teams, aber auch Einzelarbeit ist möglich. Die Gruppenzusammensetzung soll auf freiwilliger Basis erfolgen, in die der Lehrer zur Optimierung im weiteren Unterrichtsverlauf regulierend eingreifen kann. Leistungshomogene Gruppen führen zur gleichmäßigeren Verteilung der Aufgaben und Lernarbeit in der Gruppe. Einer vorwiegend passiven Haltung einzelner, meist schwächerer Gruppenmitglieder wird eher entgegengewirkt. Leistungsheterogene Gruppen ermöglichen den Einsatz von leistungsstarken Schülern als ‚Hilfslehrer’. Die Aufgabenbearbeitung und Informationsbeschaffung soll die Zusammenarbeit der Schüler und den gegenseitigen Austausch betonen. Anstehende Arbeitsaufgaben sollen in der Gruppe in sozialer und sachbezogener Interaktion eigenverantwortlich verteilt, übernommenen und koordiniert werden.

Selbststeuerung und Freiheitsgrade

Bei ihrer Lernarbeit sollen die Schüler so wenig wie möglich durch direktive Vorgaben der Lehrkraft, der Leittexte und Leitfragen eingeengt werden. Arbeitsumgebung, Arbeitsunterlagen und Aufgabenstellungen, die den Lernverlauf zum Teil inhaltlich als auch ablaufspezifisch vorstrukturieren, sollen den Lernverlauf und damit einher gehende Entscheidungsspielräume der Lernenden möglichst nicht einschränken. Die Schüler sollen ihren Lernprozess weitgehend eigenverantwortlich organisieren, gestalten und Entscheidungssituationen durchlaufen, in denen sie ihre individuellen Bearbeitungswege festlegen. Aufgabenlösungen und Handlungsziele sollen dabei über verschiedene Wege mit verschiedenen Hilfsmitteln erreichbar sein. Diese Freiheitsgrade und Handlungsspielräume liegen jedoch nur dann wirklich vor, wenn sie vom Schüler wahrgenommen werden können und offensichtlich erkennbar sind.

Beratende Lehrer- bzw. Ausbilderrolle

Rolle des Ausbilders bzw. Lehrers beim Handlungsorientierten Lernen:

• Er wird zum Gestalter von Lernsituationen
• Er übergibt Aufgabenstellungen zum selbständigen Durchdenken und Erarbeiten
• Er bleibt im Hintergrund, beobachtet den Lernprozess, steht für Rückfragen zur
  Verfügung und wartet ab, ob und wann er eingreifen muss
• Er muss Handlungsaufträge intensiv vorbereiten und nachbesprechen
• Er gibt Erklärungen erst nach der Erarbeitung
• Er lässt den Lernenden Informationen selbst beschaffen
• Er übersetzt den Stoff in konkrete Handlungsaufgaben
• Er lässt eigene Erfahrungen und Lösungen zu und unterstützt den Lernenden dabei,
  selbst einen „richtigen“ Weg zu finden.
• Er muss ein „Lernberater“ sein können.

Die Lehrkraft organisiert Selbstlernformen für ihre Schüler wie z.B. Leittexte, Informationsmaterial und Arbeitsanweisungen. Sie gestaltet die Lernumgebung, indem sie Geräte und Ausstattung bereitstellt und umfangreiches Arbeitsmaterial wie z.B. Herstellerkataloge, Produktbeschreibungen, Fachbücher oder Informationsblätter organisiert und vorbereitet. Im Lernprozess tritt der Lehrer in den Hintergrund, da er nicht mehr die Rolle des zentralen Wissensvermittlers übernimmt. Er wird zum Organisator, Initiator sowie hauptsächlich zum Berater im Unterricht. Bisherige Aufgaben der Beaufsichtigung und Leistungskontrolle bleiben bestehen. Entstehende zeitliche Freiräume können für die intensivere Zuwendung zu leistungsschwachen Schülern oder Gruppen genutzt werden. Die Unterrichtsplanung verschiebt sich dadurch von der Ebene unterrichtsbezogener Kommunikation und dabei explizierbarer Lernziele und -inhalte auf die einer Lernumgebung. Der Unterricht ist nicht mehr exakt inhaltlich und zeitlich planbar. Die Steuerung des Unterrichts erfolgt nicht mehr allein durch den Lehrer, sondern wird von den Schülern entscheidend mitbestimmt. Die Lehrkraft muss flexibel auf nicht vorhersehbare, detaillierte Fragen, Situationen und Probleme reagieren und sich rasch eindenken können. Dies stellt oft hohe Anforderungen an ihre fachliche Kompetenz. Der Lehrer vermeidet die Präsentation vorgefertigter Lösungen, begleitet beratend den gesamten Lernprozess und versucht, die Schüler in die Lage zu versetzen, eigene Lösungswege zu finden. Fachgespräche sollen sicherstellen, dass eine theoriegeleitete Planung der praktischen Ausführung vorausgeht. Initiiert durch Schüler oder Lehrkraft, geben Fachgespräche beiden Rückmeldung über den individuellen Lernerfolg. Durch die Komplexität verschiedener Lerngebiete und spezifischer Anforderungen bei der Handhabung eingesetzter Maschinen und Geräte bietet sich die Kooperation von zwei oder mehreren Lehrkräften im Team an. Dies kann Konzeption und Durchführung des Unterrichts in praktischen und theoretischen Aufgabenbereichen betreffen.

Integrative, offene Leistungsfeststellung

Leistungsfeststellungen müssen von ihren Inhalten und ihrem Ablauf dem ganzheitlichen Ansatz eines handlungsorientierten Unterrichts entsprechen. Sie sollen sowohl theoretische als auch praktische Lerninhalte umschließen und diese miteinander verbinden. Leistungskontrollen sollen für die Schüler erkennbar sein und die Möglichkeiten zu offenen, sozialen Interaktionen bieten, bei denen der Lehrer seine Benotung plausibel begründet und die Schüler ihre Leistung akzeptieren und sie rechtfertigen.


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK