Geschäftsprozessorientierte Ausbildung

 

Für das Lernen in der Arbeit gibt es eine Reihe von Bezeichnungen. Zur Zeit ist dafür der Begriff „geschäftsprozessorientiertes Lernen“ verbreitet (neben „arbeitsintegriertem“ Lernen, „Lernen am Arbeitsplatz“, „Lernen in der Arbeit“ u.ä.): er weist darauf hin, dass dieses Lernen eben in den Geschäftsprozessen stattfindet, also direkt in den betrieblichen Abläufen, in der Echtsituation.

1. Warum „geschäftsprozessorientiertes Lernen“

Historisch fand berufliche Bildung zunächst einmal immer und ausschließlich in der Arbeit statt. Gegen Ende des 19. Jh. erst begann in der Industrie der Prozess, in dessen Verlauf das Lernen immer mehr aus der Arbeit hinausverlagert und immer deutlicher von der Arbeit getrennt wurde: Lehrecke – Lehrwerkstatt – Juniorfirma - Ausbildungszentrum/ Übungsfirma oder unterrichtsartige Lehrgänge und Kurse. Arbeiten und Lernen wurden hier zu zwei ganz verschiedenen Dingen, das Lernen verselbständigte sich so weit, das man es schließlich auch biografisch ganz von der Arbeit lösen und ihr voranstellen konnte: Erst muss man etwas lernen, dann kann man Arbeiten, worunter man die Anwendung des Gelernten verstand. So sind auch wir alle noch aufgewachsen, bis dahin, dass heute beinahe jeder unter „Lernen“ sofort an die Schule denkt und ausschließlich „schulisches Lernen“ – mit allem, was an Lehrer, Stoff, Pauken und Lebensferne dazugehört – assoziiert.

Etwa seit der Mitte der achtziger Jahre des 20. Jhdts. kann man eine Trendwende beobachten: Das institutionelle Lernen – d.h. das Lernen in ausschließlich dafür geschaffenen Institutionen (Einrichtungen) – wird zunehmend kritisch gesehen, und es wird immer mehr versucht, die betrieblichen Anteile der Ausbildung auszuweiten oder Ausbildungsabschnitte ganz an die realen Arbeitsplätze, eben in die Geschäftsprozesse zurückzuverlagern. „Geschäftsprozessorientierte Ausbildung“ ist die Forderung der Stunde, die inzwischen sogar, sogar Eingang in die Neuordnung der Berufe gefunden hat. Das lässt vermuten, dass es sich dabei weniger um eine Mode als um eine ernstere Angelegenheit handelt, die es auch verdient, ernst genommen zu werden.

Untersucht man die Gründe für diese Trendwende etwas genauer, bemerkt man, dass diese zunächst einmal eng zusammenhängen mit bestimmten charakteristischen Merkmalen des institutionellen Lernens. Wenn man das Lernen aus Arbeit und Leben hinausverlagert, muss man nämlich zwangsläufig eine Reihe von Übersetzungsschritten durchlaufen: Man muss zunächst einmal am Arbeitsplatz feststellen, was man hier überhaupt wissen und können muss (Qualifikationsanalyse); dann muss man für diesen Qualifikationsbedarf geeignete Lernwege und Lernsituationen „erfinden“ (Fachdidaktik), die in der Regel völlig künstlich sind; dann müssen die Lernenden sich bereit finden, in dieser künstlichen Welt motiviert zu lernen, und zwar genau das, was hier gelernt werden soll; dann muss man eine ebenfalls künstliche Lernzielkontrolle einführen (Prüfungen, Tests, Noten), von der keineswegs sicher ist, dass sie genau das trifft, was gelernt werden soll; hat der Lernende schließlich das alles gut überstanden und – laut Zeugnis – alles gelernt, was man von ihm verlangt hat, steht ihm das schwerste Stück Arbeit noch bevor: Jetzt muss er sein neu gewonnenes Wissen und Können nämlich zurücktransferieren an seinen Arbeitsplatz, in der Hoffnung, dass er es hier nun auch tatsächlich anwenden und seine Aufgaben damit lösen kann. Auch das ist keineswegs ohne weiteres sicher, wie die verbreitete Erfahrung des „Praxisschocks“ bei Berufsanfängern zeigt. Und jeder Vorgesetzte weiß, dass der Neuling erst nach einiger Zeit richtig gut eingesetzt werden kann – wenn er nämlich gelernt hat, sein arbeitsfern erworbenes Wissen und Können auf die realen betrieblichen Zusammenhänge und Problemstellungen anzuwenden – und genau das muss er erst mal lernen, und zwar geht das ausschließlich - in der realen Arbeit!

Es zeigen sich also 3 Probleme des institutionellen Lernens:  

• Die vielen Übersetzungsschritte sind hochgradig störanfällig und risikobehaftet (es kann sehr vieles schief gehen),

• es bildet sich beim institutionellen Lernen eine abstrakte „Fachsystematik“ heraus – Mathematik, Physik, Chemie, Recht, Finanzwirtschaft usw. –, die mit der tatsächlichen „Handlungssystematik“, also dem, was man fürs praktische Arbeiten und Probleme lösen braucht, nicht zu tun hat (da braucht man nämlich möglicherweise von all diesen Fächern ein bisschen was, aber in der richtigen Mischung!)

• und schließlich ist der ganze Prozess sehr schwerfällig, denn es dauert lang, bis eine Veränderung alle Stufen durchlaufen hat, und ist außerdem an den Wechsel der Schülergenerationen gebunden.

Vergegenwärtig man sich, dass eines der wesentlichen Merkmale unserer modernen Arbeitswelt ihre ungeheure Dynamik ist, der ständig sich beschleunigende Wandel, der die sogenannten „Halbwertszeiten“ des Wissens immer mehr verkürzt, dann begreift man, dass diese drei Probleme des institutionellen Lernens in der modernen Arbeitswelt nicht zu tolerieren sind: Sie erweisen sich immer mehr als Entwicklungsbremse und nicht zuletzt auch als wirtschaftliches handicap für die Unternehmen. Das institutionelle Lernen fern der Arbeit kommt mit dem beschleunigten Wandel einfach nicht mehr mit und wird zum Innovationshindernis.

Da erstaunt es nicht, wenn man die Lösung des Problems darin sieht, die Auslagerung des Lernens aus der Arbeit rückgängig zu machen und das Lernen wieder dort stattfinden zu lassen, wo die Dynamik ihren Ausgangspunkt hat: In der Arbeits- und Wirtschaftswelt. Das hat unter heutigen Bedingungen nämlich einige wesentliche Vorteile:

• man bekommt Veränderungen unmittelbar mit und kann sich sofort darauf einstellen; wer in der Arbeit gelernt hat, ist daher „up to date“ mit seinem Wissen und Können

• wer in der Arbeit gelernt hat, hat sein Wissen und Können genau in der Form und dem Zuschnitt erworben, wie es in der Arbeit gebraucht wird;

• wer im Geschäftsprozess gelernt hat, hat nicht nur sein Fach gelernt, sondern er hat zugleich „Betriebsluft geschnuppert“, er weiß, wie der Hase läuft, und kann sich selbstverständlich in seinem betrieblichen Umfeld bewegen (ohne „Praxisschock“)

• etwas Ähnliches gilt auch für die berühmten Schlüsselqualifikationen: reale Arbeit ist ja keineswegs nur „Anwenden von Fachkompetenzen“, sondern reale Arbeit findet immer in Zusammenarbeit und sozialen Abhängigkeiten statt, sie verlangt ein paar elementare „Tugenden“ wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, und sie ist geprägt von wirtschaftlichen Faktoren ebenso wie von organisatorischen und unternehmenskulturellen, die ganz einfach „nebenbei“ mitgelernt werden, wenn Arbeiten gelernt wird, und die man außerhalb der Arbeit gar nicht oder nur sehr schwer lernen kann.

Für dieses „nebenbei Mitlernen“ gibt es heute sogar einen wichtigen Fachausdruck: Das nennt man nämlich „informelles Lernen“, d.h. ein ungeplantes, meist auch unbewusstes Lernen, bei dem einem Vieles „in Fleisch und Blut übergeht“, was man ansonsten nur sehr mühsam – wenn überhaupt – lernen kann. Interessanterweise handelt es sich dabei um Kompetenzen, die heute in der Arbeitswelt außerordentlich wichtig sind und immer wichtiger werden: Flexibilität z.B. kann man nicht auf einer Schulbank lernen – man „wird es“, wenn man immer wieder in Situationen kommt, in denen es echt verlangt wird. Das gilt auch in gewisser Weise für Teamfähigkeit, Selbstvertrauen oder Selbständigkeit. Dafür gibt es eigentlich nur ein wirksames Lernprogramm, und das ist – das reale Leben, die Auseinandersetzung mit dem Alltag und seinen Forderungen.

Schließlich gibt es noch ein sehr wesentliches Argument für das Lernen im realen Geschäftsprozess, und das betrifft das Lernen selbst. Institutionelles Lernen ist immer – auch in der Weiterbildung – ein „Lernen auf Vorrat“, der in bestimmten Phasen des Lebens angelegt wird, um in anderen genutzt zu werden. Dieses Lernen auf Vorrat ist heute bekanntlich kaum mehr möglich, und man verlangt, es durch das sogenannte „lebenslange Lernen“ zu ersetzen. Damit ist nicht gemeint, dass man sein Leben lang die Schulbank drücken soll, sondern dass Lernen ein völlig selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens werden muss: Wir können ja auch tatsächlich lernen, wo wir gehen und stehen, und sollten das nun auch mehr uns mehr bewusst tun. Dieses Lernen entsteht eben „informell“ in der (erfolgreichen) Auseinandersetzung mit Herausforderungen und Problemen, und ist eine elementare Fähigkeit, die ebenso zum Menschen gehört wie Atmen und Verdauen. Dennoch kann diese Fähigkeit zum Lernen massiv verschüttet und unterentwickelt sein, weshalb heute als eine der wichtigsten Kompetenzen die „Selbstlernkompetenz“ gefordert wird. Wo aber könnte man dieses eigenständige Lernen besser lernen als dort, wo man real und laufend vor neuen Herausforderungen steht, die man immer wieder selbständig meistern muss, wo sich immer wieder neue Konstellationen ergeben, die neu entschieden werden müssen, wie das eben genau dort der Fall ist, wo man sich in realen Geschäftsprozesse bewegt und nicht in synthetisch arrangierten Situationen des institutionellen Lernens.

2. Wie das Lernen in der Echtarbeit vonstatten geht

Im Geschäftsprozess lernt man nicht nach einer Fach-, sondern ausschließlich nach der jeweiligen Handlungssystematik; das heißt auch, dass beim geschäftsprozessorientierten Lernen keine analytisch geschiedenen Einzelqualifikationen – Bohren, Schleifen, Drehen – vermittelt werden, die später in der Echtarbeit zusammengeführt werden müssen, sondern dass man gleich ganze Handlungssequenzen erlernt, die jene Einzelqualifikationen automatisch mitenthalten.

Eine prozessorientierte Ausbildung ist eine Ausbildung, die direkt in den betrieblichen Abläufen, also in der Echtsituation stattfindet. Fachliches Lernziel ist es hier, dass die Auszubildenden alles lernen, was zum Beherrschen eines solchen realen Arbeitsablaufs nötig ist – und das lernen sie am besten dadurch, dass sie gleich und ohne didaktische Umwege in und an diesen realen Prozessen lernen. Dem liegt der einfache Grundgedanke zugrunde: Wenn jemand gelernt hat, einen Geschäftsprozess (bzw. Teilprozesse) selbständig auszuführen, dann hat er offenbar auch alle einzelnen Qualifikationen, Fähigkeiten oder Kompetenzen erworben, die er dazu braucht. Das Beherrschen des Prozesses ist das Lernziel (im Unterschied zum Beherrschen einer Reihe von einzelnen Fachqualifikationen). Es wird somit darauf verzichtet, einen Arbeitsablauf nach Einzelqualifikationen – wie etwa Messen, Anreißen, Sägen, Bohren usw. – auseinander zu nehmen, diese einzeln („analytisch“) zu trainieren und darauf zu hoffen, dass sie in ihrer Gesamtheit den Auszubildenden später befähigen, reale Prozesse zu bewältigen, für die sie nicht einzeln, sondern im Zusammenspiel gebraucht werden. Stattdessen gilt der Grundsatz: Wenn einer den Prozess (bzw. Teilprozess) beherrscht, beherrscht er naturgemäß auch alle Einzelqualifikationen, die man dafür braucht – und zwar nicht nur die fachlichen, sondern auch alle fachübergreifenden Qualifikationen bzw. Handlungskompetenzen, die in einem solchen Prozess gefordert werden, also z.B. auch Kundenorientierung, Teamfähigkeit, Offenheit für Neues, Umgang mit Unvorhergesehenem, Planungsfähigkeit etc.

Prozessorientierte Ausbildung verzichtet also vollständig auf den didaktischen Umweg über Einzelqualifikationen und übt direkt die Prozesse bzw. Teilprozesse ein, mit allem, was dazu nötig ist. Ziel ist es eben nicht, bestimmte Qualifikationen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten zu erwerben, sondern Ziel ist es, Geschäftsprozesse, also reale Handlungsabläufe zu beherrschen bzw. ausführen zu können! Es werden nicht zu vorgegebenen Lerninhalten und –zielen „künstliche“ Handlungssituationen erfunden, konstruiert oder komponiert (Wie beim → Handlungsorientierten Lernen), sondern als kompetenzbildende Handlungs- Lern-Situation soll nun die Echtarbeit hergenommen werden. Die braucht man nicht zu erfinden oder sich auszudenken, sondern die ist ja immer schon gegeben, und zwar „realer“, als jede künstlich zu Lernzwecken ausgedachte Handlungssituation es je sein kann. Theoretisch kann man in jeder realen Arbeit, als Bündel von Kompetenzanforderungen gesehen, genau das (und in genau der Zusammensetzung) lernen, was man für diese Arbeit braucht – Fachliches ebenso wie Methodisches, Soziales und Personales (→LT 1, Grundlagen des Lernens). Und eigentlich braucht man alles das, was diese Arbeit an Kompetenzen verlangt, gar nicht im einzelnen zu wissen, denn wenn jemand lernt, diese Arbeit gut und richtig in seinem betrieblichen Umfeld auszuführen, dann muss er einfach damit in eins und implizit sämtliche Kompetenzen mit erworben haben (sofern er sie noch nicht schon vorher besaß), die man für genau diese Arbeit braucht. Hat er sie aber einmal erworben, dann stehen sie ihm auch für andere Arbeiten zur Verfügung: An der Arbeit für die Arbeit lernen. Arbeiten und Lernen sind zwei Seiten ein und desselben Prozesses, denn eigentlich kann man gar nicht arbeiten, ohne zugleich zu lernen – es sei denn, man kann schon alles. Die Auszubildenden werden als (junge, meist unerfahrene) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrachtet, die eigene Verantwortung für ihr Lernen tragen und am besten lernen, wenn sie vom ersten Tag an in einem ihrem Lernstand angemessenen Umfang auch verantwortlich mitarbeiten. Die realen, täglich anfallenden notwendigen Arbeitsabläufe werden systematisch für das Lernen aufgeschlossen. Reine Üb- und Spielaufgaben ohne reale Bedeutung gibt es nicht, ebenso wenig ist ein zusätzlicher innerbetrieblicher Unterricht zwingend. Die „Fachtheorie“ ist hauptsächlich ein Bestandteil des Lernens in der Arbeit.

Das darüber hinaus nötige theoretische Wissen, das in der Arbeit nicht vermittelt werden kann, erwerben die Auszubildenden in der Berufsschule oder in zusätzlichen arbeitsfernen Lernschleifen (z.B. in einem Seminar oder in speziellen Lernsequenzen in der Lehrwerkstatt, die dann hoffentlich handlungsorientiert gestaltet sind).Wesentlich ist beim Lernen im Arbeitsprozess, dass die Auszubildenden weder nur Zuschauen (im Sinne einer „Beistellehre“) noch Arbeitsplätze vorfinden, die in irgendeiner Weise speziell für sie und ihre Lernbedürfnisse hergerichtet oder verändert wurden. Sondern oberstes Prinzip ist es, durch ernsthafte Mitarbeit in den realen Arbeitsabläufen zu lernen, und zwar im Sinne des selbständigen, „entdeckenden“ Lernens. Hier soll tatsächlich direkt im „Original“ gelernt werden, ohne Distanz, ohne Übersetzung in eine Sonderwelt, ohne Simulation und Schonraum. Junge Menschen erlernen einen Beruf, indem sie vom ersten Tag an als geschätzte „MitarbeiterInnen in Ausbildung“ in ihrem Unternehmen verantwortlich und ernsthaft mitarbeiten. Sie werden nicht in unterrichtsähnlichen Unterweisungen oder Kursen weit weg von der Praxis ausgebildet, sondern sie lernen (fast)ausschließlich an realen Aufgaben im Betrieb, durch aktive (Mit-) Arbeit. Dabei wird mit dem Lernverständnis ernst gemacht, wonach Lernen kein passiver Vorgang ist, bei dem jemandem etwas „beigebracht“ wird, sondern eine aktive Tätigkeit, durch die man sich aus eigenem Bemühen etwas aneignet: Man kann niemals „gelernt werden“, sondern immer nur selbst lernen.

Das heißt natürlich nicht, dass die Auszubildenden sich einfach selbst überlassen bleiben und tun und lassen können, was sie wollen. Schließlich geht es in den Arbeitsprozessen in erster Linie nicht um die Ausbildung, sondern um ganz andere Ziele, die für das Unternehmen existenznotwendig sind und durch die Ausbildung nicht gestört werden dürfen. In dieser Situation „entdeckend“ zu lernen, heißt also nicht, alles einmal auszuprobieren und sich um die Folgen nicht zu scheren. Auch wenn die Auszubildenden hier nicht direkt von ihrem Ausbilder belehrt werden und der auch keine didaktisierten Handlungssituationen arrangiert, sondern auf die gegebenen Arbeitsabläufe zurückgreift, kann und muss er dennoch diese Ausbildung sehr genau planen. Die Arbeitssituation der Auszubildenden muss so gestaltet und begleitet werden, dass sie optimal in ihr lernen können, ohne dass sich doch an den Arbeitsabläufen deshalb aus Ausbildungsgründen etwas ändert.

3. Wie man eine geschäftsprozessorientierte Ausbildung plant 

Bei der Planung prozessorientierter (arbeitsintegrierter)Ausbildungsgänge geht man folgendermaßen vor:

• Erster Schritt: Man wählt die realen Geschäftsprozesse aus, die der Lernende zu beherrschen lernen soll. Diese sind in eins Lernziele, Lernorte, Stoffplan und Lernmittel: Jeder Geschäftsprozess ist ein vollständiges Curriculum; Bei der Auswahl der Geschäftsprozesse, in denen ausgebildet werden soll, spielen keine didaktischen Gesichtspunkte eine Rolle, sondern man wählt – viel pragmatischer - diejenigen Geschäftsprozesse im eigenen Unternehmen aus, in denen die Absolventen des jeweils ausgebildeten Berufs tatsächlich tätig sind bzw. tätig sein sollten. Ist bekannt, wo ein Absolvent im Prinzip überall eingesetzt werden soll, kennt man auch die Prozesse und Aufgaben, die er beherrschen muss, also die Grundzüge seines kompletten Curriculums. Man setzt also nicht Lernziele in Lernschritte und Aufgaben um – wie beim institutionellen Lernen - , sondern man bestimmt die Geschäftsprozesse, in denen – möglichst ohne dass sie verändert werden – gelernt werden soll. Darin besteht der erste Planungsschritt: In der Identifikation der ausbildungsrelevanten Geschäftsprozesse.

• Zweiter Schritt: Die Prozesse müssen zur Planung einer geschäftsprozessorientierten Ausbildung analysiert werden, d.h. es werden die einzelnen Prozessschritte identifiziert (wie geht man bei diesem Prozess genau vor? Reihenfolge nach Vollständiger Handlung) und es wird ihre konkrete betriebliche Ausführung näher beschrieben (wie macht man das?). Schließlich kann man noch untersuchen, welche Anforderungen mit den jeweiligen Prozessschritten an die Arbeitenden verbunden sind, denn sie geben die Lernchancen wieder, die mit dem Prozessschritt verbunden sind. Beispiel für einen Analysebogen im Anhang.

• Dritter Schritt: Auf dieser Grundlage muss man zwei weitere Fragen stellen: a) Welche Voraussetzungen sollte der in diesem Prozess Lernende mitbringen, um in diesem Prozess möglichst gut lernen zu können, und b) Woher hat oder bekommt er diese Voraussetzungen? Diese Frage führt zum sinnvollen zeitlichen Aufbau der Ausbildung nach der Reihenfolge der zu durchlaufenden Prozesse und zur richtigen Vorbereitung der Auszubildenden auf ein Lernen im Prozess. c) Ferner ist zu entscheiden, wie lange der Lernende im jeweiligen Prozess bzw. Prozessschritt verweilen soll (u.a. abhängig von den Schwierigkeitsgraden und der angestrebten didaktischen Tiefe).

• Vierter Schritt: Welche begleitenden Lernschleifen sind bei den verschiedenen Teilprozessen angemessen, hilfreich oder notwendig, d.h. welche unterstützenden Zusatzangebote, Vertiefungen, Übungen, theoretische Inhalte u.ä. sollten/können mit jedem Prozessschritt verbunden werden, und wo und wie finden diese statt?

• Fünfter Schritt: Schließlich sollte man sich auch noch fragen, welche Prozesse zwar nicht unmittelbar für die gegenwärtige Situation des Unternehmens gelernt werden müssten, jedoch für die berufliche Zukunft der Auszubildenden von Bedeutung sein könnten bzw. deren Beschäftigungsfähigkeit erhöhen. Ist das der Fall, ist zu überlegen, inwieweit auch solche Prozesse in die Ausbildung einbezogen werden können.

• Sechster Schritt: Hat man die ausbildungsrelevanten Prozesse wie angegeben beschrieben, muss man das Ergebnis mit der Ausbildungsordnung (Rahmenplan) vergleichen (Deckungsanalyse). Prozesse, die im Rahmenplan nicht enthalten, für das Unternehmen aber wichtig sind, bleiben erhalten; für Aufgaben und Qualifikationen, die im Rahmenplan gefordert, unter den bisher untersuchten Prozessen aber nicht enthalten sind, müssen ggf. weitere geeignete Prozesse im Unternehmen gesucht werden, oder es müssen prozessferne Lernformen gefunden werden.

• Siebter Schritt: Das alles zusammen sollte in einem Lernpass beschrieben und festgehalten werden; dieser ist zugleich der betrieblichen Ausbildungsplan.

 


 

 

Gepr. Berufspädagoge, Aus- u. Weiterbildungspädagoge, Ausbildung der Ausbilder IHK